Witte Dame und Engelchen

Aus Sagenhaftes Ruhrgebiet

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Bahnhof Dortmund Kurl

Zu den unterirdischen Wesen, die den Menschen nichts Bösen wollten, gehörte auch eine weiße Frau, die überall nur die »Witte Dame« genannt wurde. Im Revolutionsjahr 1848 zeigte sie sich Burschen aus dem Kirchspiel Kurl.

Da Not am Mann war, wurden die jungen Männer eingezogen und mussten sich in Soest zur Musterung stellen, erfuhren aber, dass sie nicht zu dienen brauchten, da sie reklamiert wurden. Weil sie glaubten, zu Hause nötiger zu sein als bei den Soldaten, taten sie vor dem Heimweg erst einmal einen tüchtigen Schluck, ehe sie sich auf den Weg nach Hamm machten. Von dort aus wollten sie mit der erst ein Jahr zuvor fertiggestellten Eisenbahn – übrigens der ältesten in Westfalen – bis Kamen fahren, denn die Bahnhöfe Kaiserau und Kurl, das damals »Courl« geschrieben wurde, gab es noch nicht.

Wie sie so im Dahingehen waren und sich manches Vertellken (Geschichten - D. S.) erzählten, da sah einer von ihnen mit einem Male unweit des Wegrandes eine über dem Boden schwebende weiße Gestalt in schleierartigem Gewand. Er zeigte sie seinen Kameraden, und gleich wussten alle, dass sie die »Witte Dame« erblickten. Einer der Burschen war ein übermutiger Kerl. Er ging auf die Erscheinung zu und sprach sie an – Komm eß hier, du laiwe Däiern, eck well di moll in´n Arm niem´m !« (``Komm einmal her, du liebes Mädchen. Ich will dich `mal in den Arm nehmen !» D. S.) Aber die Gestalt schwebte von ihm ein Stück weg, ehe sie verharrte. Als er ihr folgte, entfernte sie sich wiederum. Da ließ er von seinem Vorhaben ab, denn die »Witte Dame« hätte ja vielleicht doch einmal böse werden und ihm eins auswischen können.

Nicht ganz dreißig Jahre später, so heißt es an der Körne, sah ein Mann, der am Sonntag Spatenstiele schneiden wollte, unweit des Flüsschens, das bei Kamen unterhalb der auch nicht ganz geheueren Seseke - Körne - Winkels in die Seseke mündet, gleich zwei weiße Gestalten über einem Felde. Es seien Engelken (Engelchen - D. S.) gewesen, erzählte er später. Sicherlich seien sie erschienen, weil er am geheiligten Sonntag Arbeit tun wollte. Deswegen habe er ein Gebet gesprochen und sei heimgegangen, ohne ausgeführt zu haben, was ihm im Sinne lag.

Anmerkungen

1848 sprang der Funke der Revolution aus Frankreich nach Preußen über (Westfalen war eine preußische Provinz.). Nicht nur in Berlin gab es Kämpfe zwischen Revolutionären und königstreuen Truppen. Auch in Dortmund gab es politische Unruhen. Daher wurden die beiden jungen Männer wohl zur Musterung bestellt. Die Forderungen nach nationaler Einheit und einer freiheitlichen Verfassung mündeten in der Eröffnung der deutschen Nationalversammlung in der Frankfurter Pauluskirche. Der Erfolg dieser »Revolution» blieb hinter den Erwartungen demokratisch gesinnter Kreise zurück.

Ein Kirchspiel benennt einen mehrere Siedlungen (Orte) umfassenden Pfarrbezirk. Kamen (Kreis Unna), Hamm und Soest sind östlich von Dortmund gelegene Städte. Der Bahnhof Kurl liegt an der Mühlackerstr. Die Sage muss wohl nach 1847 entstanden sein, da in diesem Jahr die durch Kurl führende Köln-Mindener Eisenbahn ihren Betrieb aufnahm.

Kaiserau gehört zu Kamen-Methler. Die Alte Körne fließt in Kurl südwestlich der Werimboldstr. in die Körne. Die Körne mündet in Kamen An der Seseke in die Seseke.

Bahnhof Dortmund-Kurl (WGS 84: 51.556649° 7.585083°)

An der Seseke, Kamen (WGS 84: 51.58771° 7.630498°)

Literaturnachweis

  • Palme, 1966, 33f, (nach H. Beisenherz, Kirchspiel Kurl, 1932)


Hier finden Sie: Bahnhof Dortmund-Kurl (51.556649° Breite, 7.585083° Länge)

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Dieser Text wurde folgendem Buch von Dirk Sondermann entnommen:

Emschersagen. Von der Mündung bis zur Quelle.
Bottrop: Henselowsky Boschmann Verlag, 2006
ISBN 3-922750-66-4.




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