Spuk im Rauendahl

Aus Sagenhaftes Ruhrgebiet

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Wurzel einer Alraune
»Unterhalb Blankensteins fließt die Ruhr träger an den Trümmerspuren der Burg Ruendael vorrüber ...« Schücking-Freiligrath
» Wilhelm Grimm, 1821« 

Verbrannte Menschen- und Pferdeknochen, Mauerreste und Scherben förderten Bauarbeiter bei der Errichtung eines Kohledepots zu Tage. Dr. Carl Arnold Kortum deutete die Funde in seinem Grabungsbericht als »uralte germanische Grabstätte«: »Das Rauendahl hat besonders im Herbste und Winter, wenn die Viehweiden ihr Gras und die Bäume ihr Laub verloren haben, etwas schauerlich Romantisches. Aus dem fetten Boden und den daselbst aufgetürmten Kohlenhaufen entwickeln sich Dünste, welche mehrmals als Irrwische erscheinen. Der in dieser Provinz noch herrschende Aberglaube hat auch zuweilen den Wanderer, zur Abend-und Nachtzeit, hier Gespenster sehen und Vorgeschichten hören lassen. Und dies um so mehr, weil sich dort noch sehr viele Spuren eines zerstörten Schlosses befinden, dessen Ruinen sich bis in die Ruhr erstrecken und bei niedrigem Wasserstand sichtbar werden. Das Schloß soll von den Grafen von der Mark im Jahre 1287 zerstört worden sein.« Das Schloß, »Haus Rauendahl« genannt, war ursprünglich wohl eine Wasserburg. Die Kölner Erzbischöfe hatten die Anlage, wie auch Burg Altendorf in Essen um 1180, nachdem ihnen der Stauferkaiser Friedrich I. Barbarossa das Herzogtum Westfalen übereignet hatte, als einen von mehreren militärischen Stützpunkten an der Ruhr errichten lassen. Bis 1180 war Heinrich der Löwe von Braunschweig aus dem Geschlecht der Welfen, ein Schwiegersohn des Königs von England, Richard I. Löwenherz, Lehnsherr von Sachsen (Westfalen) gewesen. Um 1287 wurde die Burg im Vorfeld der Schlacht von (Köln-) Worringen von dem Grafen Eberhard II. von der Mark zerstört. (Die Schlacht endete übrigens in einer vernichtenden Niederlage des Erzbischofs von Köln und beendete dessen politische Vormachtstellung gegenüber den rheinisch-westfälischen Territorialherren. Zudem legte der Ausgang des Kampfes den Keim für eine selbständige Entwicklung der Niederlande, Belgiens und Luxemburgs.) Die verbrannten Knochen von Haus Rauendahl stammten wohl von Kriegsleuten, die bei der Verteidigung der Anlage starben. Die Leichen wurden wahrscheinlich zusammen mit Pferdekadavern in den Keller geworfen, anschließend brannten die Leute des Grafen von der Mark die Anlage nieder. Da Kortum die Knochenfunde nicht mit der Zerstörung von Haus Rauendahl in Verbindung brachte, verbreitete er fälschlicherweise die Mär von einer »uralten germanischen Grabstätte«. (Dr. Eversberg) Doch urteilt Dr. Eversberg nicht voreilig? – Immerhin gehörten auch knochengefüllte Urnen und ein mit seltsamen keilförmigen Schriftzügen versehener großer Stein zum Fund, die schwerlich mit der Erstürmung von Burg Rauendahl in Verbindung zu bringen sind. Kein Geringerer als Wilhelm Grimm soll den Fund als Grab eines Druiden, also eines keltischen Priesters oder einer Alrune – einer den Menschen am Scheideweg begegnenden Göttin, der personifizierten, angeblich zauberkräftigen Alraune-oder Mandragorawurzel- gedeutet haben.

»Kortum, 1818« 

Tatsächlich grub ein Köhler im Rauendahl unter einer vermoderten Eiche ein Götzenbildhaupt aus Sandstein aus, dessen Bildnis wohl am Grotenberg verehrt wurde (Darpe). Nach Pütters bedeutet das Rauhe Dahl das Rote Tal, wegen des vielen Blutes, das hier einmal geflossen ist. Früher war das Tal bekannt und berüchtigt. Denn hier, so sagten die Alten, spuke es. Da zogen nachts die Geister unserer Urahnen immer den gleichen Weg entlang, den sie vor weit mehr als tausend Jahren nächtlich gezogen waren zu der alten Opferstätte, wo sie des Götzen gedachten, der – wie sie meinten – über sie herrsche. Wehe dem Feinde, der bei den immerwährenden Kämpfen in ihre Hände fiel! Sein Blut floß auf den großen Opferstein zu Ehren des Götzen Crodo. Einmal hatten sie einen christlichen Priester gefangen, und auch sein Blut vergossen sie. Von da ab aber war das Tal verflucht. Menschen und Tiere mieden es. Nur die Wasser der Ruhr überfluteten es von Zeit zu Zeit. Bei Nacht aber ziehen die Geister der alten Heiden durch das Tal und ihr Schildgesang ist dann zu hören bis nach Hattingen hin. So war es, und so soll es auch heute noch sein ... Vormals war das Rauhendahl (=Tal) weiträumig und tief eingeschnitten. Heute ist es mit dem Abraum der Zeche Friedlicher Nachbar (vor 1850-1961) aufgefüllt. Die Baaker Str. in Bochum führt an ehemaligen Zechengebäuden und Grubenwasserteichen vorbei, durchs Rauhendahl hinunter zur Ruhr. Haus Rauendahl stand wahrscheinlich unter der Aufsicht der Familie von Hardenberg (aus Neviges-Hardenberg (Kreis Mettmann) im Bergischen Land stammend). Von dieser Burg existiert wohl keine Sage – allerdings soll sich die Anlage dort befunden haben, wo mehr als tausend Jahre zuvor der Veledaturm gestanden hat, nämlich an der Stelle, wo sich heute nahe der Ruhr an der Rauendahlstraße/ Ecke Baaker Straße die Kläranlage befindet. Zur Burg Altendorf siehe Sage 46.

Haus Rauendahl (WGS 84: 51.419867° 7.1819°)

Literaturnachweis

  • Vgl. Sondermann, BS, 86–89 (nach Wilhelm Grimm, Über deutsche Runen, Göttingen 1821; Carl Arnold Kortum, Beschreibung einer alten germanischen Grabstätte, Dortmund 1804; ders.: Schreiben an den Eremiten am Arnsberger Walde ..., 1818, 322–324, beides in: Schaller; Franz Darpe, Geschichte der Stadt Bochum, Bochum 1894 (ND Bochum 1991),7f.; Heinrich Eversberg, Die neue Stadt Hattingen, Hattingen 1980,140–143; Fritz Pütters, Großmutter erzählte noch Sagen aus Wattenscheid und Umgebung, in: Beiträge zur Geschichte der Stadt Wattenscheid, Heft 4., Hg. Stadt Wattenscheid o. J. (1974) ,29)


Hier finden Sie: Haus Rauendahl (51.419867° Breite, 7.1819° Länge)

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Dieser Text wurde folgendem Buch von Dirk Sondermann entnommen:

Ruhrsagen. Von Ruhrort bis Ruhrkopf.
Bottrop: Henselowsky Boschmann Verlag, 2005
ISBN 3-922750-60-5.





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