Schweinehirt Jörgen entdeckt die Kohle

Aus Sagenhaftes Ruhrgebiet

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Denkmal eines Schweinehirten

Die Entwicklung Bochums hin zur Großstadt ist untrennbar mit der Montanindustrie, also der Gewinnung von Kohle, Eisen und Stahl verbunden.

Erst die Entdeckung und der industrielle Abbau der Steinkohle brachte die Voraussetzung zur Eisenverhüttung und Stahlproduktion. Nachweislich wurde in unserer Gegend schon im 14. Jahrhundert Steinkohle abgebaut, angeblich haben Bauern aber schon um das Jahr 1000 Kohle zum Eigenbedarf gewonnen. Damals wurde die Kohle in gegrabenen Erdlöchern, so genannte Pütte, gewonnen. Lief der Pütt voll Grundwasser, wurde er aufgegeben und nebenan eine neue Kohlengrube ausgehoben. Mit der Schiffbarmachung der Ruhr (1780) wurden die Transportprobleme des »Schwarzen Goldes« entscheidend verbessert und gleichzeitig in den Niederlanden neue Absatzmärkte erschlossen. Die Transportschiffe, die sogenannten Aaken, ließ man von Pferden schleppen, die die Kähne auf gepflasterten Uferwegen an Leinen flussaufwärts zogen, daher der Begriff »Leinpfad«. Wer denkt heute noch daran, dass in Dahlhausen einst ein wichtiger »Kohlehafen« lag und in Stiepeler Werften Lastkähne gewartet wurden? In beiden Orten sind auch heute noch Schleusenbauten aus dieser Zeit zu besichtigen.

Stiepel ist auch der Ort, bei dem – zumindest der Sage nach – der Schweinehirt Jörgen die erste Kohle fand:

Es war an einem Winterabend, vor langer, langer Zeit. Jörgen hatte den ganzen Tag über Schweine gehütet und wollte nun eine Kuhle graben, um darin Brennholz zu entzünden, denn bei dieser lausigen Kälte waren ein Feuer und eine warme Mahlzeit genau das Richtige, um sich wieder wohlzufühlen. Gerade als Jörgen die Feuerstelle auszuheben begann, sah er, dass eines der Schweine schon ein Loch gewühlt hatte: »Warum dann noch graben?«, dachte er und entzündete dort sein zuvor gesammeltes Holz. Nach der Mahlzeit kroch er neben dem Feuer unter seine Decke und schlief ein.

Als Jörgen am Morgen erwachte, staunte er nicht wenig; zwar brannte das Feuer nicht mehr, aber die schwarzen Steine, auf denen er das Feuer am Abend zuvor entzündet hatte, glühten und funkelten in den schönsten Farben und gaben Wärme ab. Er konnte es kaum fassen und hielt diese seltsamen schwarzen Steine für verhexte Zaubersteine; daher verließ er mit seiner Herde eilig diesen unheimlichen Ort.

Am nächsten Tag jedoch geschah das gleiche, wieder entfachte er in einer von Schweinen vorgegrabenen Kuhle ein Feuer, wieder lagen dort diese seltsamen schwarzen Steine, und wieder glühten sie, als er morgens erwachte. Doch nun war unser Hirte nicht mehr so ängstlich, nahm ein paar dieser Steine mit ins Dorf und berichtete den staunenden Leuten von seiner großartigen Entdeckung. Diese wollten nun ebenfalls solche Wundersteine besitzen, und Jörgen zeigte ihnen die Stellen, wo sie zu finden waren. Die einen sammelten die Steine vom Erdboden auf, und die anderen gruben in Löchern nach ihnen. Zuhause angelangt, erfreuten sich die eifrigen »Bergleute« an den wärmenden Zaubersteinen, mit denen sie vortrefflich heizen konnten.

Zuvor hatten die Leute Holz zum Kochen verwendet, aber der neue Brennstoff gab viel mehr Wärme ab und war hart wie Stein, deshalb nannten sie ihn »Steinkohle«.

Eines Tages ging die Botschaft durch das Land, dass die wunderschöne Königstochter den Mann zum Bräutigam nehmen wolle, der ihr die schönsten Edelsteine bringe. Davon hörte auch der Schweinehirt und beschloss, das Herz der Schönen für sich zu gewinnen. Er füllte einige Kohlestücke in einen Beutel und machte sich auf den langen Weg zum prächtigen Königsschloss. Nach tagelanger Wanderung erreichte der Hirte endlich sein Ziel und begehrte bei den Palastwachen Einlass. Auf die Frage, was er wolle, antwortete er nur: »Die Hand der Königstochter!« Die Wachen lachten ihn aus, sie schlugen sich auf die Schenkel und zeigten mit den Fingern auf den in schmutziger und zerrissener Kleidung vor ihnen stehenden Schweinehirten. Um noch mehr Anlass zur Belustigung zu erhalten, ließen die Wachen den Hirten zum Schloss hinein.

Er ging auch gleich in den prächtigen Thronsaal und sah, dass schon viele Grafen, Herzöge und junge Prinzen in schmuckvollster Kleidung und mit den kostbarsten Edelsteinen in der Hand in einer langen Reihe darauf warteten, einer nach dem anderen seine Gaben vor der schönen Prinzessin ausbreiten zu können. Endlich kam auch der junge Schweinehirt an die Reihe und stand nun schmutzig und zerlumpt mit seinen schwarzen Kohlen in der Hand vor der Prinzessin. Bei diesem Anblick schrie sie laut auf und sagte: »Was willst du denn hier, du hast dich wohl verirrt, nach Edelsteinen steht mir der Sinn!« »Warte einmal ab!«, sagte der Hirt und legte die schwarzen Steine ins Feuer, wo sie bald in den herrlichsten Farben, in Rot, Gelb, Blau und Orange aufleuchteten und eine angenehme Wärme verbreiteten. Die Prinzessin schaute diesem Schauspiel erstaunt zu, denn so etwas Wunderbares hatte sie noch nie gesehen.

»Diese schwarzen Diamanten sind wirklich die allerschönsten Edelsteine!«, sagte die Königstochter.

Einige Wochen später heirateten Prinzessin und Schweinehirt, ein großes Fest wurde gefeiert, und beide lebten lange Jahre glücklich und zufrieden miteinander zusammen.

Mit dem »Jörgenstein« im Weitmarer Holz in der Nähe der Blankensteiner Straße und dem Jörgenbildnis an der Hattinger Str. /Ecke Pieperstraße gegenüber der Meinolphus-Kirche über dem Imbissstand wurden unserem Schweinehirten ein Denkmal gesetzt. Die Straße An der Alten Fähre führt zum Leinpfad an der Ruhr.

Jörgenstein (WGS 84: 51.433717° 7.199333°) Jörgenbildnis (WGS 84: 51.471846° 7.214362°)

Literaturnachweis

  • Sondermann, Bochumer Sagenbuch, 3. Aufl. 2003, S. 194-197; Schulze / Laubenthal, 13f.; vgl. Grasreiner, 98-101; Breuker


Hier finden Sie: Jörgenstein (51.433717° Breite, 7.199333° Länge)

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Dieser Text wurde folgendem Buch von Dirk Sondermann entnommen:

Bochumer Sagenbuch.
Verlag Pomp, 2004
ISBN 978-3893550678.




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