Sagenhaftes Radfahren im Ruhrtal - Bereich Essener Süden
Aus Sagenhaftes Ruhrgebiet
Beschrieben von Martin Velling (Wanderrouten), Dirk Sondermann (Sagen).
Wer zwischen Kupferdreh, Werden und Kettwig an Baldeneysee und Ruhr entlangradelt, macht nicht nur eine entspannende (da ebene), beschauliche Tour in idyllischer grüner Landschaft, sondern passiert nebenbei auch zahlreiche sagenumwobene Orte, vom prächtigen Schloss über die verwunschene Burgruine zum altehrwürdigen Kloster, vom Residenz-städtchen übers Bauerndorf zu alten Höfen und Gütern. Wer viel unterwegs über Sagen und Örtlichkeiten kennenlernen möchte und das Rad „nur“ als Fortbewegungsmittel ansieht, kann diese Rundtour auch in zwei Tagen machen und als Fremder im zentralen Ort Essen-Werden übernachten (mit abendlichem Rundgang durch die alten Gassen).
Informationen
Start und Ziel: Essen-Werden, S-Bahnhof, Bahnhofsvorplatz (Bus-(H), Taxiplatz)
Parkmöglichkeit: Parkplatz unter der Brücke Ruhrtalstraße
ÖPNV-Anbindung: Bahnhof »Essen-Werden« - S-Bahn S6 --- Bus-Haltestelle »Werden S-Bf«. - Buslinien 169, 180, 190
Länge: ca. 35 km (1. Etappe Werden-Kettwig-Werden: ca. 18 km; 2. Etappe Werden-Kupferdreh-Werden: ca. 17 km) --- die Streckenlänge hängt davon ab, wie ausgiebig Ortskerne und ausgedehntere Sagenorte besucht werden
Gelände: ausschließlich flach (ein kurzer Anstieg zum Schloss Landsberg kann ausgelassen oder zu Fuß (5 Min.) bewältigt werden, viele ausschließlich für Radler und Fußgänger reservierte Uferwege, teils auch reine Radwege auf stillgelegter Bahntrasse
Sehenswertes: Altstädte Essen-Werden und -Kettwig, zahlreiche Schlösser und Burgen (Luttelnau, Hugenpoet, Landsberg, Oefte, Fürstresidenz Werden, Heck, Scheppen, Baldeney, Villa Hügel), alte Schleusen, größter (Baldeneysee) und kleinster (Kettwiger See) Ruhrstausee, Kirchen aus 1200 Jahren Kirchbaugeschichte im Ruhrtal, palastartige Fabrikantenvillen Hügel und Wiese, Schifffahrt auf Ruhr und Stauseen
Radtour
Vom Startpunkt Werdener Bahnhofsvorplatz aus werfen wir zunächst einen Blick über die Ruhr und die breite Gustav-Heinemann-Brücke auf das altehrwürdige Städtchen Werden, bereits 796 durch den hl. Ludgerus (Liudger) als Klosterort gegründet. Die Kirchtürme, die barocke Klosterresidenz und die bewaldeten Höhen grüßen herüber, kennenlernen werden wir sie aber erst am Ende der 1. Etappe. Wir fahren leicht abwärts an der Bahn entlang und kurz darauf links (den roten Radwegschildern folgend) im Zickzack zum alten Leinpfad, auf dem einst Pferde die Schiffe („Ruhraaken“) flussaufwärts zogen. Den links des Weges einst verlaufenden Schleusenkanal erkennt man noch an der langen Baumreihe, an deren Ende wir die rekonstruierte „Papiermühlenschleuse“ mit barockem fürstlich abteilichen Fährhaus und holländisch anmutender Klappbrücke erreichen. Nun heißt es stetig flussabwärts rollen, bis wir nach gut 3 km am merklich enger werdenden Ruhrtal den verwunschenen Kattenturm, halbzerfallener Rest der ehemaligen Burg Luttelnau, erreichen.
Sage
Der Kattenturm
Der Sage nach soll es am Kattenturm nicht geheuer sein. Von Zeit zu Zeit soll dort ein schreckliches Fauchen zu hören gewesen sein. Dies rühre von einem schwarzen Kater her, der im Keller auf einem mit Gold- und Silbermünzen gefüllten Topf sitze und diesen und eine goldene Spindel bewache. Da Katze im Plattdeutschen »Katte« heißt, so habe die Ruine den Namen »Kattenturm« erhalten.
Anmerkungen: Die Ruine Luttelnau (Nuttelau); wohl herzuleiten von lutik = klein, also kleine Au, ist Am Kattenturm zu besichtigen. Wahrscheinlich wurde der »Kattenturm« zwischen 1230 und 1240 für einen Gefolgsmann des Sohnes des Grafen von Isenberg, der sich nun auch von Limburg nannte, erbaut. Ende des 13. Jahrhunderts brannte die Anlage wohl ab.
Literaturangaben: Dirk Sondermann, Ruhrsagen, Bottrop 2005, Nr.29 (stark gekürzt)
Radtour
Es geht weiter auf dem Uferweg, nun am kleinen Kettwiger Stausee entlang: wir fahren unter der Eisenbahnstrecke Essen-Ratingen-Düsseldorf mit ihrer imposanten Stahlfachwerkbrücke durch und am Restaurantschiff „Thetis“ vorbei an der blumengeschmückten Promenade entlang Richtung Stauwehr. Eine kleine Brücke führt unter der Ringstraße her; dahinter geht es rechts über die alte Mühlengrabenbücke mit herrlichem Blick auf die Häuser der Kettwiger Altstadt, überragt von der alten Kirche.
Wer nun der Altstadt einen Besuch abstatten möchte, fährt weiter geradeaus zur Ruhrstraße. Im Folgenden empfiehlt sich Schieben, um alles in Ruhe aufnehmen zu können: links reihen sich zum Tuchmacherplatz und dem idyllischen Stufengässchen „Kirchtreppe“ hin die heimeligen kleinen Alt-Kettwiger Fachwerkhäuschen, teils typisch bergisch schieferverkleidet (unter ihnen das historische Café „Parlament“, wo die Einheimischen schon immer viel redeten, über Politik, Nachbarn, Gott und die Welt). Am Knick gegen Ende der Ruhrstraße wartet die Zwiebelturmkirche St. Peter (1831, klassizistisch unter Mitarbeit von Schinkel), die Ruhrstraße führt noch wenige Meter rechts zur Hauptstraße; rechts gelangen wir an weiteren hübschen Häusern vorbei zum Martin-Luther-Platz (halbrund bebauter Platz mit schönen alten Häusern, der hist. Marktkirche (teils 14., teils 18. Jh.) und dem idyllischen Blick die Kirchtreppe hinunter auf die Dächer und über Fluss und See zu den grünen Höhen gegenüber). Gleich anschließend folgt der Bürgermeister-Fiedler-Platz mit klassizistischen Bürgerhäusern und dem Rathaus. Wir folgen noch etwa 200 m der Hauptstraße, bis uns die Ruhrstraße nach rechts zurück zur Mühlengrabenbrücke bringt.
Sage
Die Entstehung und der Name Kettwigs
Auf der Höhe an der Ruhr, dort, wo sich heute die evangelische Kirche in Kettwig erhebt, begünstigt einerseits durch den Ruhrübergang, andererseits geschützt durch das steil abfallende Ufer, dehnte sich ein Haupt- oder Sadelhof aus. Fischfang und Verkehr bildeten die weiteren Anziehungspunkte für menschliche Niederlassungen: Es entstand ein kleines Dorf, ein Weiler, ein Wig, das – im oder am Kettilwalde gelegen – als Kettwig bezeichnet wurde und diesem Namen sich zu eigenen machte. Der Name Kettwig hat manche Deutungen gefunden. Ich erwähne eine als Ableitung von Cattorum vicus (Dorf der Katten), was anstatt eine Erklärung vielmehr eine künstliche Rückübersetzung bedeuten würde, und ferner eine, die den Sinn von Kettwig als Bezeichnung einer Ansammlung von Katen = Kotten, also als Kötterdorf erklären will. Dieser Auffassung widerspricht die Tatsache, dass hier ein Sadelhof, also ein großer Hof, bestanden hat; es wäre unverständlich, wollte man dessen Namen Katwik wieder auf viele Kotten zurückführen, die zweifellos nie der Vorläufer eines Haupthofes gewesen sein können. – An die Zeiten kaiserlichen Hoflebens auf Nuttelau erinnert noch eine alte enge Straße in Kettwig, die Kaisergasse. Sie führte in der Richtung nach Essen, fand ihre Fortsetzung über den Steinweg zur Burg Nuttelau und dürfte die älteste bebaute Straße Kettwigs sein. Dafür spricht auch ihr Name Kaisergasse, den leider geschichtliches Unempfinden in den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts zur Kaiserstraße gemacht hat. Der Name Gasse ist die mittelalterliche Bezeichnung für bebaute Straßen, der vorliegende Zuname Kaiser gründet sich auf Beziehungen zu den alten Kaisern, wichtig genug, dass wir hoffen möchten, dass sich bald wieder eine mit dem nötigen geschichtlichen Empfinden ausgestattete Stadtverwaltung findet, die dieser Straße ihren alten beziehungsreichen Namen Kaisergasse wiedergeben wird.
Anmerkungen: Die 1372 erstmals schriftlich erwähnte, leider meist verschlossene Evangelische Marktkirche liegt am neben der Hauptstr. 83. Kaisergasse s. Kaiserstr. Ein Haupthof diente als Abgabensammelstelle für die umliegenden Höfe. Von dort aus wurden die Abgaben zur Abtei Werden (siehe Sage 31) transportiert. Ein Sadelhof, richtig: Sattelhof, mußte im Kriegsfall ein voll ausgerüstetes, kampftaugliches Pferd stellen.
Literaturangaben: Dirk Sondermann, Ruhrsagen, Bottrop 2005, Nr.25
Radtour
Vor der Brücke fahren wir links zur Ringstraße und dann rechts über die Ruhrbrücke in den Ortsteil Kettwig vor der Brücke (der erst seit 1929 zur Stadt Kettwig gehört, vorher zur Herrschaft Hardenberg und später zum Kreis Düsseldorf-Mettmann). Nach 250 m folgen wir rechts der Volckmarstraße bis zur Landsberger Straße, dieser rechts 200 m bis zum Linksabzweig Mintarder Weg (auch der hiesige alte Ortskern strahlt mit einigen hist. Häusern eine bescheidene Idylle aus). Der Mintarder Weg führt uns nun nach 400 m (ab Wasserwerk) durch die weitläuige Ruhraue (im Volksmund „de Oy“); ein Blick nach links fällt auf die oben im Wald gelegene Bergfeste Landsberg, die später besucht wird, während geradeaus die Ruhrtalbrücke von ferne grüßt, mit 2 km eine der längsten Autobahnbrücken Deutschlands. Wir radeln zunächst 800 m ab Wasserwerk den Auenfeldweg entlang und biegen links ab auf die Wäldchen zu; hier wartet am Wegende links Schloss Hugenpoet (= „Krötenpfuhl“) mit Vorburgen, Wassergräben, Herrenhaus (heute Nobelhotel) aus dem 16./17. Jh.
Wir verlassen den Schlossbereich zur Landstraße hin (August-Thyssen-Straße) und fahren etwa 500 m links bis zum großen Tor am rechten Straßenrand. Hier geht es etwa 150 m auf Ratinger Gebiet bergauf (schieben!) zum Schloss Landsberg von 1276, einst Sitz des Industriellen Thyssen. Vergangene Burgen- und Schlossromantik lässt sich beim Durchstreifen der Parkanlagen und Wasserspiele vorbei an den alten Mauern erahnen. Wer sich allerdings den kurzen Aufstieg ersparen will, bleibt unten an der Straße, denn wir haben ja das „Burgschloss“ oder die „Schlossburg“ bereits vom Auenfeldweg aus gesehen (in der Tat eine Mischung aus ursprünglicher Wehranlage und zum Adelssitz und romantischer Fabrikantenvilla umgebauter Anlage).
Sage
»... das malerische Landsberg mit seinen Thürmen und seiner wahrhaft idyllischen Umgebung ...« - (Schücking-Freiligrath, 338)
Der böse Burgherr
Kettwig gegenüber liegt auf dem linken Ruhrufer das malerische Schloß Landsberg, zu dem nur ein schmaler und zu beiden Seiten schnell und immer steiler abfallender Bergrücken den Zugang gestattet. Den hohen Berg des Landes (Landsberg), der eine weite Überschau des Tales bietet, sollen schon die Römer zur Beobachtung ihrer Landwehr und der Landstraße auserwählt und daselbst einen Wohnsitz für irgendeinen ihrer Befehlshaber errichtet haben, der ihn zu dem gedachten Zwecke so lange inne hatte, bis ihn die einbrechenden Franken verjagten und einer ihrer Führer, den wir gleichfalls nicht kennen, mit seinem Gefolge den verlassenen Posten in Besitz nahm und als Dynast weiterbeherrschte. Von dem Erbauer des Schlosses kündet die Sage, dass er ein ungemein roher und wüster Geselle gewesen, der allen Lastern frönte und die ganze Gegend in Schrecken versetzte. Kaum war er angelangt, da hatte schon jeder, der ihm nicht ausweichen konnte, seine eiserne Faust zu spüren. Die armen Sklaven, die er zur Herrichtung der Feste benutzte, wurden mit Geißeln zur Arbeit getrieben und mussten unter der strengen Aufsicht seiner grausamen Knechte von Sonnenaufgang bis zum späten Abend schuften, dass der Schweiß ihnen in Strömen am Leibe herunterlief und sich mit dem Blute mischte, das wuchtige Hiebe dem ruhebedürftigen, durch schmale Koste ohnehin geschwächten Körper entzogen. Ganz besonders reichlich fielen die Schläge, wenn der hohe Herr selber sich nahte und zu immer eifrigerer Tätigkeit antrieb und nachhalf. Noch ehe ein schützendes Dach die neu entstandenen Mauern deckte, lagen bereits zahlreiche Opfer seiner Willkür, Wollust und Habsucht in den tiefen Verließen, von denen auch nicht eines das Tageslicht wieder sah. Bald traute sich keiner mehr in die Nähe, und immer weiter erstreckten sich deshalb die Steifzüge, die des Wüterichs Kisten mit kostbaren Schätzen füllten, bis er eines Tages ebenso plötzlich verschwand, wie er gekommen.
Anmerkungen: Die in einem Wald (Landsberger Busch) gelegene Höhenburg befindet sich auf dem Gebiet der Stadt Ratingen. Die Einfahrt befindet sich etwa 100 Meter entfernt, von der Stelle, an der die *Landsberger Str. auf die {{Straße|August-Thyssen-Str.} trifft (beide in Essen-Kettwig gelegen). Die Anlage wurde wohl im 13. Jahrhundert von den Grafen von Berg zur Sicherung des Ruhrüberganges bei (Essen-)Kettwig erbaut. Der Stahlbaron August Thyssen errichtete 1903 dort sein repräsentatives Domizil. Heute wird die ehemalige »Raubritterburg« als Tagungsstätte der Thyssen AG genutzt und ist von aussen zu besichtigen. Ein Dynast ist ein Angehöriger des höheren Adels.
Literaturangaben: Dirk Sondermann, Ruhrsagen, Bottrop 2005, Nr.23
Radtour
Wir kommen zur August-Thyssen-Straße zurück und folgen ihr 100 m nach rechts; hier biegen wir links in die Landsberger Straße ein und folgen ihr (teils durch bereits von vorhin bekannte Abschnitte) bis zur Brücke am Stauwehr des Kettwiger Sees. Unter ihr durchfahren wir noch etwa 200 m auf der Landsberger Straße, biegen dann links in die Werdener Straße ein und gelangen am S-Bhf. Kettwig- Stausee vorbei und unter der bereits bekannten Bahnbrücke (nun auf dem gegenüberliegenden Ufer) her ins Grüne. Dort führt die leider oft stark befahrene Landstraße (Es gibt keinen separaten Fahrradweg!) an Ruhrufer und Hangwaldsaum entlang bis zum 2 km entfernten Schloss Oefte, einst Rittersitz aus dem 9. Jh., im 12./13. Jh. zum romanischen Landsitz und im 19. Jh. zur heutigen Gestalt umgebaut; heute beherbergt das noble Gemäuer einen vornehmen Golfclub und ist daher nicht näher zu besichtigen. Die vorgelagerten Wirtschaftsgebäude wie Rentei und Mühle können aber näher in Augenschein genommen werden.
Sage
Die Sage von Haus Oefte
Am jenseitigen Ruhrufer, gegenüber von Kettwig, liegt Haus Oefte, ein altes schlossartiges Gebäude, versteckt inmitten von Bäumen und Gebüsch. Im 14. Jahrhundert lebte zu »Oefft auf der Ruren« der Ritter Eberhard von Oefte. Er war mit Kunigunde von Quade vermählt. Beide lebten glücklich und zufrieden und freuten sich des Söhnleins, das Gott ihnen geschenkt hatte. Da kam ihnen Unglück vom nahen Kattenschlosse her. Dort herrschte damals der Ritter von »Lüttelnau«. Er war ein mächtiger und starker Herr, aber noch mächtiger und stärker als er waren seine Feinde. Die Junker von Landsberg, Kalkum und Spede überfielen ihn plötzlich und überwältigten ihn. Alle Insassen des Schlosses wurden erbarmungslos niedergemacht, und auch der Ritter fiel. Nur seine Tochter, die schöne und stolze Arminia, entkam. In ihrer Not floh sie zum Haus Oefte hinüber und bat flehentlich um Schutz. Frau Kunigunde nahm sie freundlich auf und ließ sie fürder wohnen unter ihrem Dach. Das war ihr Unglück. Arminia war falsch und niederträchtig und lohnte mit Undank. Sie betörte den Ritter Eberhard und hetzte ihn gegen seine Gemahlin auf. Sie ließ ihm nicht Ruhe, bis er ihr versprach, Frau Kunigunde zu ermorden. Eberhard sträubte sich lange, aber endlich erklärte er sich doch bereit, und im Schutze der Nacht vollführten beide gemeinsam die fürchterliche Tat. Als sie geschehen, riefen sie mit lautem Geschrei die Dienerschaft herbei und erzählten unter Tränen, dass die Gräfin plötzlich gestorben sei. Da war großes Leid im ganzen Schlosse. Alle hatten die gute und sanfte Herrin lieb gehabt, alle trauerten sehr um sie, und unter zahlreichen Gebeten wurde sie zur letzten Ruhe getragen. Nun war ihr Söhnlein ein Waisenkind geworden, um das sich niemand kümmerte. Eine fremde Frau war bestellt, es zu hüten und zu pflegen, und auch sie versäumte ihre Pflicht. So erging es dem armen Kinde schlecht, aber die Mutter wachte darüber, obgleich sie auch gestorben war. In der Nacht erschien sie der Pflegerin, weckte sie auf und drohte ihr. Diese erschrak so sehr, dass sie folgenden Tags sogleich das Schloss verließ. Arminia lachte über die Gespensterfurcht. Sie wollte allem Spuk zum Trotz nun selber bei dem Kinde wachen, und sie tat es auch. Siehe, da erschien Frau Kunigunde zum zweiten Male, nun aber drohender und zürnender als zuvor. Was sie gesagt – niemand weiß es. Arminia hat es nie verraten. Als nach dieser Nacht der Morgen kam, war sie bleich und still geworden. Wortlos schritt sie aus dem Schlosse über die Zugbrücke in den Wald hinein. Sie sah sich nicht um und kam nicht wieder. Die Reue hatte sie ergriffen, und im Kloster zu Saarn tat sie Buße ihr Leben lang. Als sie geschieden war, ging auch der Ritter in sich und erkannte seine Freveltat. Auch ihn hielt es nicht länger in der Welt. Er übergab sein Söhnlein dem Pfarrer zu Mintard. Der sollte es erziehen und zum guten Menschen machen, weil er selbst sich dessen nicht mehr würdig hielt. Im Dickicht des Waldes erbaute er sich eine Klause und wohnte dort als strenger Büßer. Von dem Sohne Eberhards berichtet eine alte Schrift, dass er selbst die Priesterweihe empfangen und an der Ruhr segensreich gewirkt habe.
Anmerkungen: Haus Oefte liegt neben Oefte 2 und beherbergt heute einen Golfclub, so dass der ehemalige Adelssitz auf Anfrage von außen zu besichtigen ist. Bereits um 820 wird Haus Oefte als ein zur Abtei Werden gehörender Hof urkundlich erwähnt. Der jetzige ansehnliche Bau stammt aus dem Jahre 1842. Kalkum ist heute ein Ortsteil von Düsseldorf, Mintard gehört heute zu Mülheim.
Literaturangaben: Dirk Sondermann, Ruhrsagen, Bottrop 2005, Nr.28
Radtour
Weiter geht es auf der Werdener Straße, die ihren Namen kurz darauf in Laupendahler Landstraße ändert, etwa 4 km bis zur Gustav-Heinemann-Brücke in Werden, gegenüber unserem Ausgangspunkt Werden Bahnhof. Wer jetzt die erste Etappe beenden möchte, hat S-Bahn und Bus zur Auswahl, radelt über die Ruhrbrücke zum Wagen unter der Bücke Ruhrtalstraße oder sucht sein Quartier in Werden auf.
Die vielen historischen Ecken Werdens durchstreift man am besten der Nase nach an Hand des Stadtplanausschnitts, denn zu sehen gibt es immer etwas. So in der nördlichen Altstadt die alte Bebauung in den Straßen Grafenstraße, Eiergasse, Hufergasse, Heckstraße, Wigstraße (teilw.), Haus Fuhr, Neukircher Straße, Luziusstraße mit Haus Heck (11./17. Jh.), ev. Kirche (1900), St.-Luziuskirche (Ende 10. Jh.; älteste Pfarrkirche nördlich der Alpen), Haus Fuhr, Rathaus, Gründerzeitensemble rund ums Rondell mit seltenem Standbild des 99-Tage-Kaisers Friedrich III. --- in der südlichen Altstadt finden wir die romanische Abteikirche von 796 mit barocker Ausstattung und Kirchenschatz, die benachbarte Barockresidenz mit klassizistischem Torbau (bis 1803 Abtei und Sitz der Fürsten zu Werden, danach preußisches Zuchthaus und heute Hauptsitz der Folkwanguniversität) und viel alte Bebauung in den Straßen Klemensborn, Leinwebergasse, Leinwebermarkt, Rittergasse, Brandstorstraße, An der Stadtmauer und Wesselswerth.
Die 2. Etappe beginnt am Rathaus (Werdener Markt) mit der Abteikirche im Blick. Wir biegen an der alten Hirsch-Apotheke in die Heckstraße ein (Kleinod zu Beginn links: das verwinkelte kleine Gebäude der Thurn- und Taxis'schen Post) und fahren durch diese bis zum Ende, vorbei an Kirchen, Haus Heck und manch vornehmer Villa (vor allem dem links gegen Ende gelegenen Bürgermeisterhaus). Hier sehen wir uns kurz eine weitere hist. Schleuse aus der Zeit der Ruhrschifffahrt an, die „Neukircher Scheuse“ mit der dahinter gelegenen Weissen Mühle und ihren vielen Lagerböden. Der Weg führt nun rechts am Hardenbergufer lang zur Staumauer des größten Ruhrstausees, dem in den 1920er-Jahren mit Tausenden von Arbeitslosen geschaffenen 8 km langen Baldeneysee („größte Handarbeit Essens“). Autofrei „genussradeln“ wir gut 3 km am See entlang bis zum alten Lehenssitz Haus Scheppen aus dem 17. Jh. (der erst durch den Stau des Baldeneysees zur Wasserburg und erst durch Bomben des 2. Weltkriegs zur Ruine wurde!).
Sage
»Die Quadratmeile Land, welche das Werdensche Gebiet umfaßt,ist einer der schönsten Striche des herrlichen Roer-Thales, und gewährt ihren Bewohnern einen eben so angenehmen als segensreichen Aufenthalt.« (Justus Grumer, 1805) »Merkwürdig ist die von vier Säulen getragene Krypta (der Abteikirche),die den steinernen Sarg des heiligen Ludgerus enthält...« - Schücking-Freiligrath, 336
Name und Gründung der Benediktinerabtei Werden
Als der heilige Ludgerus im Lande umherzog, das Christentum zu predigen, ist er mit seinen Begleitern auch in die Gegend gekommen, wo jetzt Werden liegt. Dort hat es ihm so gut gefallen, dass er, der sich schon lange mit der Absicht trug, ein Kloster zu gründen, kurz entschlossen ausrief: »Hier soll es werden!« und daher meinen die Leute, habe man das Kloster und den später um dieses sich bildenden Ort »Werden« genannt. Andere wieder erzählen zur Erklärung des Namens, der jedoch von Wert (Werder = Flussinsel, D.S.) abgeleitet ist: Bei Besichtigung des Platzes sagte der Heilige: »Hier wird noch einmal eine große Stadt erstehen.« Seinen Begleitern schien solches unmöglich, da die Bäume so dicht standen und ihre Äste sich derart ineinander schlangen, dass nicht einmal der Himmel zu sehen war. Ludgerus aber entgegnete: »Was nicht ist, kann noch werden!« (Bahlmann) Das alte Werden gilt als eine der schönsten Siedlungen längs der Ruhr, und sein altehrwürdiges Gotteshaus gemahnt an den Gründer dieser Stadt, den heiligen Ludgerus. Er war ein Verkünder des Christentums, und seine Wanderfahrten führten ihn weit in die Welt. Er predigte den Friesen und bekehrte das Sachsenvolk, pilgerte nach Rom und wirkte lange und segensreich in Münster. Immer schon hegte er die Absicht, ein Kloster zu errichten, nur wusste er nicht, welchen Ort er dazu wählen sollte. So betete er ohne Unterlass um die Erkenntnis, die ihm endlich kam. Sein Geist führte ihn in den Weneswald im Ruhrgebiet zu einem kleinen Ort, der Werethina (= Werden, D.S.) hieß. Im Frühjahr des Jahres 801 kam Ludgerus dort zum ersten Male an. Er ging gleich daran, eine Baustelle zu bestimmen, und führte seine Gefährten in das Dickicht des Waldes hinein, das er durch Kauf erworben hatte. Hier bot sich ihnen ein trostloses Bild. Die riesengroßen dichten Baumkronen verwehrten völlig das Sonnenlicht, und wuchernde Schlingpflanzen und verwachsenes Gestrüpp versperrten allerwärts den Weg. Da wollten seine Begleiter kleinmütig werden und verzagen. Ludgerus tadelte sie und sprach: »Was Menschen auch unmöglich erscheint, ist bei Gott doch möglich.« Inmitten der Wildnis ließ er sogleich sein Zelt aufschlagen und verbrachte mit ihnen hier die Nacht. Die war klar und sternenhell. In ihrer Stille, während alle anderen fest und ruhig schliefen, verließ Ludgerus heimlich seine Lagerstatt und schlich hinaus. Dreimal kniete er unter der Krone eines starken Baumes nieder und erflehte von Gott ein Zeichen. Nach dem dritten Gebete ward es ihm wirklich auch gewährt. Am heiteren Himmel begannen plötzlich schwarze Wolken aufzusteigen, und ein orkanmäßiger Sturm brauste daher. Von ihm getroffen, sanken die starken Bäume rings unter lautem Krachen nieder. Nur einer blieb verschont. Es war derselbe, unter dem der fromme Mann das Gebet verrichtet hatte. Nun war er seiner Sendung völlig sicher. Gott selbst hatte den Grund zum Klosterbau gelegt und den Raum dafür gelichtet. Auch das nötige Bauholz lag bereit. Die Begleiter sahen es mit Beschämung und bereuten ihren Unmut und ihre Zweifel. Ludgerus verzieh ihnen. Er trat unter den verschonten Baum und rief den Othelgrim aus ihrer Reihe zu sich. Er sprach zu ihm: »An diesem Orte will ich einst den Tag des Weltgerichtes erwarten, und hier, wo ich jetzt sitze, soll meine Grabesstätte sein.« Der Mönch schrieb sich den Wunsch seines Meisters tief ins Herz hinein. Als der Baum gefällt werden musste, legte er an dessen Stelle heimlich einen schweren Stein. So war der Ort für immer gezeichnet, und der Wunsch des Bischofs wurde erfüllt. Er fand später hier sein Grab, über dem sich nun die Kirche wölbt. (Vos/ Weinand)
Anmerkungen: Im Jahre 803 beendete Kaiser Karl der Große siegreich den etwa dreißigjährigen Krieg gegen die germanische Volksgruppe der Sachsen. Schon zu Beginn dieser Kämpfe hatte er ihren militärischen Hauptstützpunkt im Revier, die Sigiburg im Dortmunder Süden, erobert. Die auch im Ruhrgebiet siedelnden Sachsen hatten ähnliche religiöse Vorstellungen wie viele andere germanische Volksgruppen, die neben anderen den Gott Wodan verehrten. Im Auftrage Karls des Großen gründete Liudger, der später heilig gesprochen wurde, um 800 die Benediktinerabtei Werden als Bollwerk des Christentums und Zentrale der Sachsenmission. Die Abtei Werden entwickelte sich zu einer der bedeutendsten Klosteranlagen im Reich und zu einem Ausgangspunkt der ersten Blütezeit des Reviers als Grenzgebiet zwischen Franken und Sachsen am Hellweg. Viele Königsaufenthalte in Dortmund und Duisburg zeugen von dieser für das Ruhrgebiet wichtigen Epoche. Das Symbol der Sachsen, das steigende Pferd, überdauerte im Wappen Westfalens bis heute jene bewegten Zeiten. Im berühmten Scriptorium Werdens entstand im 9. Jahrhundert wohl der »Heliand«, eine altsächsische Evangelienharmonie. Die bedeutende Klosterbibliothek barg bis zum Dreißigjährigen Krieg (1618–48) den Codex argenteus, die Silberbibel, eine gotische Bibelübersetzung Bischof Wulfilas aus dem 6. Jahrhundert, die 1648 die Schweden erbeuteten und seitdem in Uppsala/Schweden aufbewahrt wird. Die ehemalige Klosterkirche, die jetzige meist zugängliche Basilika St. Ludgerus liegt neben der Brückstr. 54 und ist einschließlich der Krypta mit dem Grab Ludgers und der Schatzkammer (Öffnungszeit: 10–12/ 15–17 Uhr) unbedingt sehenswert.
Literaturangaben: Dirk Sondermann, Ruhrsagen, Bottrop 2005, Nr.31
Radtour
Nach der Vorbeifahrt an Haus Scheppen biegen wir kurz darauf links ab und gelangen zurück ans Seeufer. Nach etwa 3 km fahren wir unter einer Gitterbrücke durch, biegen nach wenigen Metern scharf rechts ab und gelangen oben rechts auf der eben unterquerten früheren Eisenbahnbücke über den See. Drüben geht es geradeaus auf ehemaliger Bahntrasse noch etwa 1,3 km weiter, am Ende kurz links und sofort wieder rechts auf der Straße Lanfermannfähre. Wir passieren wenige Reste (u.a. grüner Förderturm) der ehemaligen großen Zeche Carl-Funke mit der benachbarten alten Zechensiedlung und gelangen an den letzten Häusern wieder auf die Radtrasse auf alter Eisenbahnstrecke. Nach 1,6 km Genussradeln mit Seeblick liegt links der Trasse Schloss Baldeney mit seinen Wirtschaftsgebäuden und der „Hochzeitskapelle“ (14. Jh.; Namensgeber des Sees).
Nach weiteren 1,4 km Bahntrassenradweg folgen links am See Regattaturm und Wettkampfstrecke sowie rechts auf der Höhe das „größte Einfamilienhaus Deutschlands“, die palastartige, im 19. Jh. erbaute „Villa Hügel“ der Fabrikantendynastie Krupp, heute Kulturstätte mit Ausstellungen, Konzerten und dem Kruppmuseum.
Nun geht es noch 800 m auf der alten Bahntrasse weiter, dann auf dem linken Bürgersteig („Rad frei“) der Freiherr-vom-Stein-Straße knapp 2 km bis zum Bahnhof Werden, wo „einst“ Etappe 1 begann. Zum Abschluss werfen wir einen Blick über die tiefliegende Ruhr auf die Brehminsel (mit dem Werdener Stadtpark und seinem herrlichen alten Baumbestand) und die bereits bekannte Altstadtsilhouette von Werden.
Sage
Der Name Baldeney
Aus den Steinen der 1288 zerstörten (neuen) Isenburg soll – wie 1227 aus denen der alten Isenburg die Feste Blankenstein - das ... an der Ruhr liegende Schloß aufgebaut sein, welches nach so kurzer Zeit fertig dagestanden hätte, daß es »Balde-Neu (Arx cito nova)« genannt wäre (woraus später der Name Haus Baldeney abgeleitet wurde; D.S.).
Anmerkungen:
Eine andere (wahrscheinlichere) Deutung leitet Baldeney von »breite Aue« im Gegensatz zu (Essen-) Bredeney an der Ruhr gleich »eng-abschüssige Aue« ab. Das einst wasserumwehrte Haus Baldeney an der Freiherr vom Stein Str. 386a soll 1226 vom Grafen Adolf von der Mark, anstelle einer wohl im 8. Jahrhundert erbauten kleineren Anlage, errichtet worden sein, somit wurden wohl keine Steine der ehemaligen neuen Isenburg verwendet, wie in der Sage berichtet wurde, da die neue Isenburg erst 1288 zerstört worden ist. Die Besitzer von Haus Baldeney waren zeitweise zugleich Erbmarschälle (Aufseher) der Benediktinerabtei Werden und Erbkämmerer (Schatzmeister) des Stiftes Essen. Eine Außenbesichtigung der Anlage ist möglich. Eine meist verschlossene Kapelle von 1337 gehört ebenfalls zu Haus Baldeney. Burg Blankenstein wurde wohl ebenfalls nicht aus Steinen der zerstörten alten Isenburg errichtet. Beide letztgenannten Burgen liegen heute auf Hattinger Gebiet.
Literaturangaben: Dirk Sondermann, Ruhrsagen, Bottrop 2005, Nr.32