Eine Pfingstsage von der Knippenburg
Aus Sagenhaftes Ruhrgebiet
Wie alle anderen in der Nähe liegenden Burgen und Schlösser hat auch die Knippenburg ihre Sage, die sich an ein Bild knüpft, das sich oben im Treppenhaus der Burg an der Wand befand. Wo das Geländer der Treppe zum Dachgeschoß führte, war ein Mann an die Wand gemalt der sich mit einer Laterne in der Hand über ein Treppengeländer beugt und die Treppe hinabschaut. Über die Entstehung des Bildes berichtet die Sage:
Es war ein herrlicher Maientag, an einem Samstag vor dem Pfingstfest, da wanderte auf der uralten Straße vom Rhein zum Vest Recklinghausen ein junger Bursche, ein Schreiner. Am späten Nachmittag kam er nach Bottrop. Wie es Sitte und Brauch der Zunft war, sprach er bei einem Schreinermeister in der Werkstatt vor. Während er den Meister sein Sprüchlein sagte, öffnete sich die Werkstattür und des Meister Töchterlein trat herein. Gott Amor, der in der Maienzeit den Menschen gern mancher Streich spielt, schoß seine Pfeile auf die Herzen der jungen Menschen, so daß der june Handwerksbursche mitten in seinem Spruch steckenblieb und die Jungfrau zart errötete. Als der Meister dies bemerkte, wurde er unwillig. Er warf dem jungen Burschen ein Geldstück zu und sagte schroff, er solle weiter wandern, er habe keine Arbeit für ein Gesellen. Das junge Mädchen bat den Vater, den jungen Burschen wenigstens zu den Pfingsttagen einzuladen. Doch ebenso schroff lehnte der Vater auch dieses ab.
Voller Trauer zog der Bursche weiter. Doch konnte er nicht aus Bottrop heraus. Die Liebe zu dem schönen Meistertöchterlein hielt ihn fest. Er setzte sich in das Gras am Straßenrand und schlief vor Kummer und Müdigkeit bald fest ein. Es wurde dunkel, die Nacht kam. Als vom Turm der alten Cyriakuskirche 12 Glockenschläge ertönten, da wurde der Wanderbursche plötzlich von einem Mann, der eine Spielhahnfeder an seiner Kappe trug, wachgerüttelt. Es war der Teufel in Gestalt eines Spielmannes. Er sprach zu dem Burschen: »Der Kummer quält dich, ich will dich wieder lebensfroh machen. Du sollst das Mädchen haben, das du liebst, nur mußt du mir deine Seele versprechen die ich mir heute nach dreißig Jahren holen werde«. Der Bursche erschrak erst, dann erschien ihm das Angebot doch verlockend und er dachte, 30 Jahre sind eine unendlich lange Zeit. »Ja. « Sagte er dann und schlug zur Bekräftigung des Abkommens in die dargebotene Hand des Teufels. Der Teufel gab dem Burschen dann folgenden Rat: »Gehe in den naheliegenden Wald und suche dir einen Pfingstbaum aus, den du dem Mädel vor das Haus setzen sollst. Das andere werde ich schon in Ordnung bringen. « Im gleichen Augenblick verschwand der Teufel und begab sich in die Schlafstube des alten Schreinermeister. Legte sich dem Meister auf die Brust und verursachte ihm ein fürchterliches Alpdrücken. Böse Träume quälten die ganze Nacht den Meister. Als er aufstand konnte er sich nur entsinnen, daß er den abgewiesenen Wanderbursch mit einem Pfingstbaum statt voller Blätter, voller blanker silberner Talerstücke gehangen. Am Morgen sah er seine Tochter mit verweinten Augen herumgehen.
Als die Glocken zur Pfingstmesse riefen trat das Mädchen aus dem Haus. Es erschrak und blieb wie angewurzelt stehen. Denn vor dem Haus stand ein schöner höher schankgewachsener Pfingstbaum und darunter saß der Wanderbursche und schlief. Sie eilte in die Stube zurück und erzählte ihrem Vater, was sie draußen erblickt hatte. Der alter Meister ging hinaus und erinnerte sich seines Traumes. Er schritt auf den jungen Burschen zu und bat ihn ins Haus, um das Frühstuck mit ihm zu teilen. Als der Bursche die gute Wendung der Dinge sah, ging er fröhlich mit ins Haus. In den nächsten Tagen erkannte der Meister in der Werkstatt, daß der junge Gesell nicht nur sein Handwerk verstand, sondern auch viel Glück in seiner Arbeit hatte. Sie bekamen mit der Zeit soviel Aufträge, daß sie sie kaum schaffen konnten, so daß in dem armen Schreinerhäuschen gar bald der Wohlstand einzog. Der alte Meister war es gar bald einverstanden, daß seine Tochter und der zugewanderte Gesell ein Paar wurden, dem er einigen Jahren ganz die Werkstatt übergab.
Die Jahre gingen dahin, hatte der junge Mann wiederholt mit Grauen an seinen Vertrag gedacht, so dachte er im Laufe der Jahre immer weniger daran. So kam der Pfingstsamstag heran, an dem die dreißig Jahre verflossen waren. Der ehemalige Wanderbursch war schon längst ehrbarer Meister und hatte an diesem Samstagnachmittag noch einen Treppenaufbau für die Knippenburg fertigzustellen. Die letzten Arbeiten waren zu erledigen, da stand plötzlich der Teufel vor ihm und erinnerte an sein Versprechen. Der Treppenbauer erschrak und bat den Teufel, noch eine Weile Geduld zu haben. Wenigstens solange bis die Treppe fertig sei. Der Teufel war damit einverstanden, daß der Meister das Geländer noch oben an der Treppe schlug, er wolle auf der untere Stufe warten, doch nicht länger als bis abends 12 Uhr. Mit schweren Gliedern stieg der Treppenbauer der Treppe hinauf und fand oben seinem Freund, den Maler. Diesem fiel das verstörte Wesen seines Freundes auf, er fragte nach dem Grund und da erzählte ihm der Schreiner von seinem Versprechen und dem nahenden Verhängnis. Der Maler schlug vor dem Teufel einen Streich zu spielen und malte oben an die Wand das Bild des Schreiners, wie er sich mit einer Laterne in der Hand über ein Treppengeländer beugt. Als er mit seiner Arbeit fertig war, sagte er zu den Treppenbauer: »Ich lasse dir meinen Mantel und die Farbtöpfe und wenn der Teufel hinaufkommt, dich zu holen, gehst du an ihm vorbei, zeigst auf das Bild und sagst: dort ist der, den du suchst. « Der Teufel ließ den Maler im Kittel des Schreiners ruhig an sich vorbei gehen. Als es aber 12 Uhr schlug, sprang er die Treppe hinauf, um den Schreiner zu holen. Dieser kam ihm im Malerkittel mit den Farbtöpfen in der Hand, entgegen, zeigte auf das Bild und sagte: »Da ist der den du suchst. « Der Teufel packte ihn jedoch beim Kragen. Stieß ein fürchterliches Hohngelüchter aus und sauste mit ihm die Treppe hinaus. Am anderen Morgen fanden ihn die Burgbewohner mit zerbrochenem Genick an der Treppe liegend. Von dem Maler hörte der Burgherr die Geschichte und ordnete an, daß das Bild zu ewigen Zeiten an der Wand verbleiben sollte. Wer sich mit dem Bösen abgibt, der kommt auch durch das Böse um.
In Wirklichkeit soll jedoch ein Schlossbewohner das Bild an die Wand des Treppenhauses gemalt haben, um seine Kinder zu mahnen, sich nicht auf dem Geländer und der Treppe herumzutreiben, damit sie nicht der böse Mann hole.
Anmerkung
Die Familie von der Knippenburg ist von 1382-1608 beurkundet. Die Dichterin Luise Hensel (1798-1896) wohnte in den Jahren 1835-1855 auf der Knippenburg mehrere Wochen pro Jahr und verfasste hier das bekannte Nachtgebet: »Müde bin ich, geh zur Ruh. . .« Im 2. Weltkrieg wurde der An der Knippenburg 4 (heute Deichmann) gelegene Adelssitz durch Bomben zerstört. In den 60er Jahren brach man die Reste der 1340 erbauten ehemaligen Gräftenanlage ab. Die Propsteikirche St. Cyriakus steht am Kirchplatz. Anstelle des um 1150 errichteten Gotteshauses, steht dort seit 1862 eine dreischiffige neugotische Backsteinhallenkirche. Geöffnet ist die Kirche täglich außer Montags von 9-12 / 15-18 Uhr.
ehemaliger Standort der Knippenburg (WGS 84: 51.510252° 6.945312°)
Literaturnachweis
- Große-Bremer, Heinrich, Aus der Geschichte der Knippenburg und deren Besitzer, Veröffentlichung der Historischen Gesellschaft Bottrop e. V. , Nr. 14, Dezember 1991, S. 45; in Am. verwendete u. weiterführende Lit. : Kollmann, 160
Hier finden Sie: ehemaliger Standort der Knippenburg (51.510252° Breite, 6.945312° Länge)
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Dieser Text wurde folgendem Buch von Dirk Sondermann entnommen:
Bottrop: Henselowsky Boschmann Verlag, 2006
ISBN 3-922750-66-4.
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