Die Waghalsbrücke

Aus Sagenhaftes Ruhrgebiet

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Vorburg der Burg Vondern, Blick von Westen

Burg Vondern bei Osterfeld war einst im Besitz der Herren von Loe, die von Haus Loe bei Marl stammten. Um 1400 lebte auf Vondern Wessel von Loe mit seiner jungen Frau Gostelyn und ihrer kleinen Tochter Jolant. Sie waren freundliche Gastgeber. Viele Feste wurden dort gefeiert. Da stellte eines Tages Wessel von Loe fest, daß seine Frau sich verändert hatte. Sie war ausgelassen und laut geworden. Ihrem Mann begegnete sie mit Trotz. Das machte ihn mißtrauisch, und er beobachtete sie heimlich.

Eines Tages, als er sich auf der Jagd im Emscherbruch befand, begegnete er seiner Frau. Nun war er überzeugt, daß sie den grünen Ritter in seinem Zauberschloß besucht hatte. Von ihm erzählte man sich, daß er junge Mädchen und tugendhafte Ehefrauen in sein Schloß lockte, wo sie seinen Verführungskünsten unterlägen. Gostelyn empörte sich über seinen Verdacht. Sie bot ihm an, über die Waghalsbrücke zu gehen, über die nur Menschen mit reinem Herzen gelangten.

Eines Nachts wollte sie die Probe auf sich nehmen. Wessel bemerkte ihr Verschwinden und folgte ihr. Da sah er sie auf der Waghalsbrücke. Sie wandte sich um und rief:« Möge Gott dir vergeben, wenn mir Böses geschieht. Laß es nicht an Jolant vergelten!« Er sah sie mit hoch erhobenen Händen über die Wiese laufen und im Wald verschwinden. Wessel wollte ihr folgen, aber er vermochte es nicht. Er wartete an der Brücke auf sie. Als sie am dritten Tag zurückkam, war er eingeschlafen. Voller Verzweifelung stürzte sie sich in die Emscher. Wessel konnte nur noch die Tote bergen. Er war verzweifelt. Ein Fieber hielt ihn gefangen. Als er endlich wieder gesund war, fühlte er sich sehr einsam in seiner Burg.

Einmal suchte sein Freund Johann von Garen zu Sienbeck bei Herten Zuflucht auf Burg Vondern. Der Gast wurde freundlich aufgenommen den längen Gesprächen beschlossen beide die Verlobung ihrer Kinder. Jolant war erst fünf Jahre alt. Der Sienbecker schlug vor, sie sollte sich einmal einen seiner beiden Söhne zum Mann wählen. Beim Pfarrer in Osterfeld ließen sie sich den Vertrag bestätigen. Jolant wurde bei den Nonnen im Kloster Flaesheim erzogen.

Nach zehn Jahren, Jolant war nun 15 Jahre alt, sollte die Hochzeit gefeiert werden. Die von Garen, Vater und Söhne, holten das Mädchen ab. Auf dem Weg lernte es die beiden jungen Männer kennen. Jolant war hübsch und anmutig wie ihre Mutter. Auf Burg Vondern hatte man das Fest gerichtet. Viele Gäste waren im Rittersaal versammelt. Nun mußte sich die Braut entscheiden. Sie ging auf den älteren der beiden Brüder. Johann von Garen, zu und verneigte sich tief vor ihm. Der Ritter hob das zitternde Mädchen empor und küßte ihre bleiche Stirn. Sie entzog sich ihm und schaute erschrocken auf den jungen Dietrich von Garen, der bleich und traurig beiseite stand. Dann ging Jolant auf ihn zu, fiel ihm um den Hals und küßte ihn heftig unter Schluchzen.

Johann war empört. Er zog sein Schwert und forderte Dietrich zum Kampf heraus. Die Gäste teilten sich in zwei Parteien. Da rief der Burgherr: »Zur Waghalsbrücke! Die Buhlerin und der Buhle, die heimliche Liebschaft gehalten haben! Nur der Gang über die Brücke kann sie von dem Verdacht reinigen!'«

Die Braut versank in eine Ohnmacht und wurde in ihr Zimmer gebracht. Als sie zu sich gekommen war, verlangte sie von der alten Magd, ihr die Geschichte ihrer Mutter zu erzählen, von der sie schon oft hatte raunen hören. Nun erfuhr Jolant, wie ihre Mutter zu Tode gekommen war. Sie wollte, gleich ihrer Mutter, ihre Unschuld beweisen und ihren Vater strafen. Sie rannte über die Waghalsbrücke, dann über die Wiese und verschwand im Emscherbrücher Wald. Den Anwesenden im Saal meldete die Magd das Verschwinden der Braut und gestand auch den Grund dafür ein. Der junge Dietrich nahm sein Schwert und stürzte ihr nach. Er erreichte das riesige Schloß des Zauberers und betrat einen hohen Saal. Unter der großen Kuppel glitzerte es. Wände und Tische wären mit Blumen geschmückt. Viele junge Paare lagen auf Ruhebetten und ließen sich bedienen. Die schönen Mädchen trugen Schleiergewänder in vielen Farben. Sie füllten Kannen und Becher aus Gold und Silber mit köstlichen Getränken. Neben dein betörenden Düften nahm eine liebliche Musik die Sinne gefangen.

Dietrich stand da, schaute die Pracht und vergaß alles. Da erschien der grüne Ritter, aber Jolant entdeckte er nicht. Er stürmte hinaus, eilte durch Gänge und Räume. Da sah er zwei riesige. Wächter vor einer verschlossenen Tür. Mit gezücktem Schwert stürzte er sich auf sie. Der eine floh, den anderen schlug er nieder. Er sprengte die Tür. Drinnen lag auf einem Ruhebett Jolant. Er trug sie hinaus. Da trat ihm der Zauberer entgegen. Dietrich stach den grünen Ritter durch die Brust. Schwarzes Blut schoß aus der Wunde. Der Bösewicht war tot. Kaum war das junge Paar draußen, da stürzte das Zauberschloß zusammen. Auf dem Weg zur Burg durchquerte er die Wiese. Nun war sie ein schöner Liliengarten. Schon auf dem Hinweg meinte er, ein Tönen von feinen Stimmen gehört zu haben. Jetzt klang ein Chor von vielen Frauenstimmen zu ihnen herüber. Die Blumen vergingen und weiße Tauben flogen auf und verschwanden. Das waren die Seelen der toten. Mädchen und Frauen, die der Zauberer in die Emscher getrieben hatte, nachdem sie ihm zu Willen gewesen waren. Dietrich erreichte die Brücke, bei der die Hochzeitsgesellschaft wartete. Johann von Galen verzichtete auf seine Braut. Nach den Hochzeitsfeierlichkeiten legte er das Rittergewand ab. Er wurde Eremit am Pilgrimspfad. An der Emscher erbaute er sich eine Klause. Dort wurde er, nach seinem Wunsch, begraben.

Anmerkung

Über die Emscher führten ehemals nur behelfsmäßige Brücken ohne Geländer, daher wohl die Bezeichnung Waghalsbrücken. Sie waren oft provisorisch gebaut. Die Anwohner hatten die Erfahrung gemacht, dass die Holzbrücken bei jedem Hochwasser weggerissen wurden. Die Waghalsstr. erinnert an die vormals dort gelegene, gleichnamige Brücke. Der Pilgrims-oder Pilgerpfad führte von der Ostsee nach Aachen. In Oberhausen-Sterkrade versorgten die Nonnen des schon 1446 urkundlich erwähnten Kapuzinerklosters Liebfrauen an der Roßbachstr. 41 die Pilger. Das Kloster wurde 2004 aufgehoben.

Die restaurierte Wasserburg Vondern, deren Gräften teilweise erhalten sind, steht an der Arminstr. Sie wird im 13. Jahrhundert als Wohnsitz von Gerhard de Vondere, einem Dienstmann des Grafen von Kleve, erstmals erwähnt. Der sehenswerte Backsteinbau ist von außen zu besichtigen (Innenbesichtigung nach Voranmeldung). Das ehemals wasserumwehrte Haus Sienbeck (Resserweg 40; im Stadtplan ausgezeichnet.) liegt bei Herten-Langenbochum. Der vormalige Adelsitz stammt aus dem 11. Jahrhundert und beherbergte Ministeriale (Dienstadel) des Benediktinerklosters (Essen-) Werden. Der private, nicht mehr bewirtschaftete Hof birgt keine von außen sichtbaren mittelalterlichen Bauten. Die ursprüngliche Gräftenanlage Haus Loe in Marl wurde um 1130 im Bereich des heutigen Gymnasiums an der Max Planck Straße 23 erbaut.

Sichtbare Reste des ersten Haus Loe sind oberirdisch nicht vorhanden. Vom ehemaligen Prämonstratenserinnenkloster Flaesheim (1166-1808) zeugt noch heute die meist geöffnete Stiftskirche St. Maria Magdalena in Haltern am See am Stiftsplatz (Kreis Recklinghausen). »Hoher Brückensteg“ und »Klause“ sind nicht lokalisierbar (Hinweis erbeten !).

Burg Vondern (WGS 84: 51.498872° 6.906624°) Waghalsstrasse (WGS 84: 51.498778° 6.888385°)

Literaturnachweis

  • Kollmann,99; in Am. verwendete u. weiterführende Lit. : Heinrichs.


Hier finden Sie: Burg Vondern (51.498872° Breite, 6.906624° Länge)

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Dieser Text wurde folgendem Buch von Dirk Sondermann entnommen:

Emschersagen. Von der Mündung bis zur Quelle.
Bottrop: Henselowsky Boschmann Verlag, 2006
ISBN 3-922750-66-4.




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