Die Totenmesse

Aus Sagenhaftes Ruhrgebiet

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Eine Frau aus dem Kirchspiel Kurl hatte sich mehrere Jahre hintereinander zur Uchte stark verspätet. Als Weihnachten nun wieder nahte, nahm sie sich vor, in diesem Jahre aber rechtzeitig zu kommen. Am Heiligen Abend machte sie sich früh auf den Weg nach Kurl. Als sie an die Kirche kam, waren alle Fenster hell erleuchtet. Ärgerlich, doch schon wieder den Beginn des Gottesdienstes verpaßt zu haben, trat sie in das Gotteshaus und begab sich auf ihren gewohnten Platz. Er war bereits besetzt. Allein die Beter rückten zusammen, so daß auch für die Frau in der Bank noch Raum war. Am Altare stand ein Geistlicher, der ihr gänzlich unbekannt war. Nun sah sie ein wenig ihre Umgebung an. Ei, ihre Nachbarin kannte sie zwar, war die nicht schon vor langen Jahren gestorben! Sie entdeckte noch einige Bekannte unter den Andächtigen, aber alle waren schon vor langer, langer Zeit begraben worden. Da packte sie die Angst. Die tote Nachbarin merkte die Unruhe der Frau und sagte ihr leise ins Ohr: »Wenn der Priester das Ite, missa est' (``Der Gottesdienst hat begonnen !» D. S.) singt, dann aber schleunigst aus der Kirche!- Die Frau erhob sich sofort und drängte zum Ausgang. Gerade erklang das »Ite missa est«, als die Frau die Kirchentür erreicht hatte. Im gleichen Augenblick fiel die schwere Tür ins Schloß, und in der Kirche war plötzlich alles stumm und finster. Ein Zipfel des Mantels der Frau war zwischen die zugeschlagene Tür geraten und abgerissen. In aller Hast schritt die Frau in der Dunkelheit über den stillen Friedhof zwischen den Gräbern. Sie war schon weit von Kurl weg, da begegneten ihr die ersten Kirchgänger auf dem Weg zur Uchte. Nun stellte sich heraus, daß die Frau sich mit der Zeit ganz vertan hatte. Sie war zwei Stunden zu früh gekommen und hatte einer Uchte der Verstorbenen beigewohnt.

Anmerkungen

Uchte bezeichnet die Christvesper, also den abendlichen Gottesdienst der katholischen Kirche. Ort des Geschehens ist die katholische Pfarrkirche St. Johannes der Täufer in Kurl.

Dieser schlichte Saalbau von 1733 steht an der Stelle eines Vorgängerbaues. Die Kirche beherbergt einen beachtlichen, zylindrischen Taufstein, wohl vom Beginn des 12. Jh. , dessen Wandung mit ornamentalen und figürlichen Flachreliefs urtümlichen Charakters überzogen ist.

St. Johannes-Kirche (WGS 84: 51.5568° 7.580533°)

Literaturnachweis

  • Sauermann, 1980, 28f. (nach Beisenherz, 373)


Hier finden Sie: St. Johannes-Kirche (51.5568° Breite, 7.580533° Länge)

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Dieser Text wurde folgendem Buch von Dirk Sondermann entnommen:

Emschersagen. Von der Mündung bis zur Quelle.
Bottrop: Henselowsky Boschmann Verlag, 2006
ISBN 3-922750-66-4.




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