Die Teufelskanzel

Aus Sagenhaftes Ruhrgebiet

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Syburg

Lange bevor das weithin sichtbare Kaiser-Wilhelm-Denkmal und der Vincketurm auf dem hohen Bergplateau standen, waren es die Ruinen der mittelalterlichen Syburg, die die Blicke vom Lenne-, Ruhr-und Volmetal auf sich zogen. Wer von Norden her über den einstigen Königsweg kam, machte Rast in der Peterskirche und am Petersbrunnen. Schon in frühester Zeit verweilten die Pilger und Wanderer gern auf dem weitläufigen Gelände der alten Burg, um sich an der Aussicht ins Tal und in die Sauerlandberge zu erfreuen. Und sie blickten auch nach Westen ins Ruhrtal. Dort fällt der Blick zuerst über die bewaldete weite Schlucht auf steil abfallende Felsen, die von Klippen gekrönt sind. Eine von ihnen, die am weitesten hervorragt, heißt die Teufelskanzel, heute wie damals. Die Sage erzählt, daß zuweilen Wanderer, die um Mitternacht von der Ruhr nach Syburg hinaufsteigen, dort auf der Teufelskanzel einen Reiter auf einem Schimmel gesehen haben. Der Reiter schaute für kurze Zeit zur Burg hinüber, bevor er einen mächtigen Sprung tat und in der Luft wie ein Nebelschwaden zerstob. Immer, wenn man die Erscheinung gesehen hatte, war eine Notzeit in Syburg angebrochen. So kam es, daß die Menschen in der Umgebung diese Klippe als eine Kanzel angesehen haben, von der aus der Teufel ankündigte, daß seine Herrschaft mit Not und Unheil in Syburg anbrechen werde. Aber warum zeigte sich der Teufel ausgerechnet in der Gestalt eines Reiters? Die einen erzählen: Es war der Verräter, der damals dem Feind bei der wochenlangen Belagerung der Sigiburg durch Karl den Großen das Geheimnis der Wasserkunst preisgegeben hat. Dadurch konnte den Verteidigern auf der Burg das Wasser entzogen werden, so daß die Verdurstenden sich ergeben mußten.

Nachher sollen etliche Sachsen in einer stürmischen Nacht heimlich zur Sigiburg zurückgekommen sein, um den Verräter zu fangen und ihn zu richten. Sie haben ihn zwar aufgespürt, doch er konnte ihnen auf seinem schnellen Pferd entkommen. Er jagte hinüber zu den Klippen, wo die Rächer ihn bis zur äußersten Kante hetzten. Da rief der Verräter in seiner Angst den Sachsengott Krodo um Hilfe an, aber auch den Gott der Christen. Doch vergebens. Er fiel in die Hände seiner Landsleute, die er verraten hatte. Andere aber erzählen, es sei ein sächsischer Ritter, der da von Zeit zu Zeit um Mitternacht auf der Teufelskanzel wie ein Mahnmal vor dem dunklen Nachthimmel sichtbar werde und dann plötzlich wieder verschwände. Nach der Eroberung der Sigiburg durch die Franken war der sächsische Ritter immer wieder seinen Feinden entkommen. Er hat sich auch nicht taufen lassen, wie alle anderen Sachsen. Oft genug war er als Verfolgter in schwierige und gefährliche Lagen geraten, aus denen er sich nur mit List und oft nur mit Hilfe seines Schwertes befreien konnte. Da er wußte, daß die feindlichen Franken ihm überall auflauerten, konnte er es nur noch in dunklen Nächten wagen, seine Heimat auf verschlungenen Wegen aufzusuchen, um seinen Stammesgenossen, die sich hatten taufen lassen, ihre Untreue vorzuhalten. Einmal, als er wieder auf Schleichwegen zur Sigiburg ritt, entdeckte ihn ein fränkischer Wachtposten. Der alarmierte die Mannschaft, die sich sofort aufmachte, den seit langem gesuchten Sachsen zu fangen. Doch der Ritter floh zu den Klippen über der Ruhr, wo er in einer der Schluchten zu entkommen trachtete. Aber die Franken kannten inzwischen alle Schleichwege, schnitten sie ihm ab und hetzten ihn die Klippen hinauf. Die Hufe der Pferde knallten auf das harte Felsgestein, daß die Funken stoben. Da sprang das gehetzte Tier des Verfolgten ohne zu zögern auf die Teufelskanzel hinüber und – auf einen verzweifelten Zuruf seines Herrn – schwebte es, als ob es hinüber auf die Sigiburg springen wollte, über dem Abgrund und stürzte mit seinem Reiter in die Gipfel der Bäume, die von der Schlucht aufragten, durchbrach die Äste und landete auf steinigem Grund.

Die Verfolger hatten dem Ritter zuvor noch warnend zugerufen: »Spring nicht, sonst bist du des Teufels!« Nun standen sie da wie erstarrt. Einer von ihnen, ein alter Haudegen, sprach leise vor sich hin: »Gott helfe seiner Seele!« Kaum hatte er das gesagt, da erscholl als Antwort aus der dunklen Tiefe ein häßliches Gelächter herauf. »Das war ein Teufelssprung!«, stieß einer der Verfolger aus und alle starrten entsetzt in die Tiefe. Der sächsische Ritter, den sie ihrem Gesetz unterwerfen wollten, war ihnen entkommen. Bei Tagesanbruch ritten sie in die Schlucht, um den Abgestürzten zu bergen. Doch sie suchten vergebens. Weder vorn Reiter noch vom Pferd fanden sie etwas. Nur die Bäume trugen helle Narben von abgerissenen Ästen.

Anmerkungen

Die Teufelskanzel bezeichnet einen Sandsteinfelsen oberhalb des Hengsteysees. Sie erreichen die Teufelskanzel, wenn Sie sich, der Buchenstr. folgend, vor dem Friedhofstor rechts halten und linker Hand dem Weg am Friedhofszaun entlanggehen. Immer geradeaus gehen Sie direkt auf die Teufelskanzel zu. Bänke laden vor der Kanzel zum Verweilen ein. Zur (Hohen-) Syburg, zum Kaiser Wilhelm Denkmal und zum Vincketurm siehe die Anmerkung zur folgenden Sage.

Teufelskanzel (WGS 84: 51.406967° 7.448317°)

Hohensyburg (WGS 84: 51.4199° 7.487333°)

Literaturnachweis

  • Gronemann, 189–191


Hier finden Sie: Teufelskanzel (51.406967° Breite, 7.448317° Länge)

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Dieser Text wurde folgendem Buch von Dirk Sondermann entnommen:

Ruhrsagen. Von Ruhrort bis Ruhrkopf.
Bottrop: Henselowsky Boschmann Verlag, 2005
ISBN 3-922750-60-5.





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