Die Stiftung des Bochumer Maiabendfestes

Aus Sagenhaftes Ruhrgebiet

Wechseln zu: Navigation, Suche
Der Maibaum wird mit Hilfe langer Stangenpaare, sogenannter Schwalben oder auch Scharstangen aufgestellt

Vor mehr als 600 Jahren, im Jahre 1388, stand Graf Engelbert III. von der Mark wieder einmal in Fehde mit der größten und mächtigsten Stadt Westfalens, der freien Reichs- und Hansestadt Dortmund.

Angeblich soll ein in Dortmund häufig gesungenes Spottlied auf den Grafen den Anlass zur Fehde gegeben haben:

»Graf Engelbert van der Marke
mackt sick mit frombden Gude starke,
hey en het nein hilgen Henden, (er hat keine heiligen Hände)
hey let niet liegen of hangen an den Wenden,
hey doet tho den Vogelen int Net grippen,
fraget nit darna, of sy schreyen of pipen...« 

Tatsächlich waren wohl eher wirtschaftliche Gründe für die militärische Auseinandersetzung ausschlaggebend, denn die Dortmunder waren damals durch rege Kaufmannstätigkeit und durch Überseehandel mit England und den Ländern östlich der Elbe so reich und einflussreich geworden, dass selbst der König von England, Eduard III., 1338 den Dortmunder Kaufleuten für viel Geld seine Krone verpfändet hatte – er war wegen des Krieges gegen Frankreich, den man später den Hundertjährigen Krieg (1337-1453) nannte, in Geldnot geraten -; Dortmunds damaliger Einfluss lässt sich auch daran ermessen, dass die einst zu Preussen und ab 1919 zu Litauen gehörende Stadt Memel beinahe Neu-Dortmund geheißen hätte.

Dortmund war durch zwei massive Stadtmauern mit Wassergraben vor den Angriffen feindlicher Ritter geschützt, denn viele Adlige hatten es auf den Reichtum der Stadt abgesehen.

Schon zehn Jahre zuvor, 1378, hatte der Graf von Berg Dortmund zu erobern versucht. Er beschoss die Stadt mit dicken Steinkugeln, die aber nur eine Kuh erschlugen und sonst wenig Schaden anrichteten. Damals griff der Schutzpatron von Dortmund, der heilige Reinold, selbst in das Kriegsgeschehen ein, indem er, der Sage nach, die Kugeln auffing und sie zum Entsetzen der Feinde ins gegnerische Lager zurückschleuderte.

Nun, zehn Jahre später, vermochten auch die mächtigen Steinkugeln, die Graf Engelbert von der Mark auf Dortmund abfeuern ließ, keinen größeren Schaden anzurichten.

Auch konnten die Mauern der Stadt nicht überrannt werden, so dass die feindlichen Parteien dazu übergingen, die ländlichen Gebiete brennend und plündernd zu verheeren. Die bemitleidenswerten Bauern, die ungeschützt auf ihren Höfen saßen, mussten wieder einmal die Hauptlast des Krieges tragen. Allzu oft leuchteten die Brandfackeln auf und ließen von einstmals großen Bauernhöfen nur Schutt und Asche übrig.

In der St. Lambertsnacht, dem 17. September, rückten die Dortmunder Heerscharen wieder einmal aus und brannten Derne nieder, stahlen den Einwohnern Pferde, Kühe und anderes Vieh, auch Barop sowie die Stadt Kamen wurden von ihnen plündernd heimgesucht. 1500 Pferde und Vieh brachten sie in ihre Hand, anschließend zogen sie zur Lippe, um an einer Furt über den Fluss zu gelangen. Eine Schar Bochumer Junggesellen, erfahrene Schützen, die Graf Engelbert um sich versammelt hatte, erwartete sie jedoch an diesem Übergang.

Schon griffen die Bochumer Jungen ihre Dortmunder Widersacher mit lauten Pfiffen auf den Lippen an (deshalb: Bochum – Stadt mit Pfiff!), ein wilder Kampf entbrannte zwischen den verfeindeten Parteien.

Bald gewannen die Bochumer in der nächtlichen wilden Schlacht die Oberhand und versprengten die Gegner in alle Richtungen. Die siegreichen Bochumer Junggesellen eroberten einen großen Teil des geraubten Viehes zurück und nahmen darüber hinaus drei feindliche Ritter und zahlreiche Knechte gefangen. Nicht lange ließ die Belohnung auf sich warten, die Graf Engelbert als Dank für die Hilfestellung der Bochumer Junggesellen vergab. Der märkische Graf stiftete den Schützen aus Bochum einen Maibaum – eine ausgewachsene Eiche - den sie sich am Vorabend des ersten Mai aus dem Bockholt, einem in der Bauernschaft Harpen gelegenen Wald, holen durften. Auf dem alten Markt in Bochum wurde der Baum öffentlich versteigert und mit dem Erlös feierten die Junggesellen ein großes Fest – das Maiabendfest!

Alljährlich durften sie zur gleichen Zeit diesem Brauch nachgehen, allerdings mussten die Schützen folgende Umstände genau beachten: Die Junggesellen mussten am Vorabend des ersten Mai mit Trommeln, Pfeifen und Fahnen ausrücken. Schon drei Tage zuvor wurde in Bochum durch Trommelschlag und Ausruf auf dieses Geschehen aufmerksam gemacht.

Wenn sie nun des Morgens am Bockholt ankamen, so wurde der Baum gefällt und auf einen Wagen geladen. Pferde jedoch durften diesen Wagen nicht ziehen, sondern niemand anderes als die Junggesellen selbst. Vor Sonnenuntergang musste der Baum im Gebiet Bochums sein, wollten die Schützen ihr Fest feiern. Trommelschläger und Musikanten begleiteten den bunten Zug der Junggesellen. Sobald der Baum die Stadtgrenze erreicht hatte, entstand lauter Jubel, bald nun konnte das Maiabendfest beginnen. Durch das Becktor (Große Beckstraße), nahe der Propsteikirche, wurde der Maibaum vollends in die Stadt gezogen. Schnell fand sich ein Käufer, der Baum wurde eingelöst – das Fest begann...

»Nach der Aufteilung des Bockholtes im Jahre 1769 wurde der Anspruch auf den Maibaum durch eine Geldrente abgelöst. Die »Zins-taler« aus diesem Kapital werden den Junggesellen alljährlich in feierlicher Form ausgezahlt. In symbolischer Anlehnung an den früheren Brauch wird auch heute noch eine junge Eiche aus dem Bockholt geholt und im Bochumer Stadtpark an der Kurfürstenstraße eingepflanzt.«

Selbst nach mehr als 600 Jahren wird in Bochum das althergebrachte Maiabendfest gefeiert. Viele hundert Bochumer sind dann im Festzelt im Bockholt am Steffenhorst und bei den bunten Umzügen der Bochumer Schützen zugegen und man begeht gemeinsam das traditionelle Fest. (Ein kleiner Tipp: Auch am letzten Aprilsamstag wird am Steffenhorst groß gefeiert. Gäste sind willkommen!)

Kortum (1790): Einer Sage zufolge soll das Maiabendfest aus der Zeit der ersten Grafen von Bochum stammen, welche den jungen Bürgern einen Baum jährlich, bis zu ewigen Zeiten, geschenkt haben. Der Wald soll damals dem Grafen gehört und den Namen Bockholt vom alten Grafen Cobbo haben und ursprünglich Cobbosholz oder Cobboniswald bedeuten.

Zwar hat schon Franz Darpe im Jahre 1894 die Stiftung des Maiabendfestes in das Reich der Sage angesiedelt, aber das beeinträchtigt nicht die Freude der Bochumer an der Festveranstaltung.

Beim Bochumer Maiabendfest dürften sich heidnisches Frühjahrsbrauchtum und spätmittelalterliche Traditionsfeiern der Schützengilden vermischen.

Steffenhorst (WGS 84: 51.503332° 7.27925°)

Literaturnachweis

  • Kortum, 1790, 131f.,
  • BSN, 64f.;
  • Darpe,112-115;
  • Bornholdt,21-75


Hier finden Sie: Steffenhorst (51.503332° Breite, 7.27925° Länge)

Diesen Ort mit weiteren Geodiensten anzeigen. Weitere Sagen aus Bochum.



Dieser Text wurde folgendem Buch von Dirk Sondermann entnommen:

Bochumer Sagenbuch.
Verlag Pomp, 2004
ISBN 978-3893550678.




Der Text ist urheberrechtlich geschützt. Nähere Informationen: siehe Impressum.

Ruhr2010Logo
Redaktion