Die Stiftung Cappenbergs

Aus Sagenhaftes Ruhrgebiet

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Annette von Droste-Hülshoff

Annette von Droste-Hülshoff dichtete:

Der Mond mit seinem blassen Finger
Langt leise durch den Mauerspalt,
Und koset, streifend längs dem Zwinger,
Norbertus' Stirne feucht und kalt.
Der lehnt an bröckelndem Gestein,
Salpeterflocken seine Daunen,
An seinem Ohre Heimchen raunen,
Und wimmelnd rennt das Tausendbein.
Und überm Haupte fühlt er's beben,
Da geht es hoch, da zecht es frisch,
In Pulsen schäumend pocht das Leben,
Die Humpen tanzen auf dem Tisch.
Der Graf von Arnsberg gibt ein Fest,
Dem Schwiegersohn der graue Schwäher;
So mehr er trinkt so wird er zäher,
So wirrer steht sein Lockennest.
Gern hat sein Kind er dem Dynasten,
Dem reichen Cappenberg vertraut,
Nun trägt sein Anker Doppellasten!
Und seinen Feinden hat's gegraut.
Da kömmt auf seinem Eselein
Norbert, und macht den Sohn zum Pfaffen;
Allein er wußte Rat zu schaffen,
Er pferchte den Apostel ein.
Wie, keine Enkel soll er wiegen?
Soll in des Eidams Hora gehn,
Und sehn sein Kind am Boden liegen
Und Paternosterkugeln drehn?
Nein, heute ist der Tag wo muß,
Wo wird die Sache sich erled'gen,
Und sollt' er mit dem Schwerte pred'gen,
Ein umgekehrter Carolus.
Und »Gottfried«, spricht er, »Junge, Ritter,
So sieh doch einmal in die Höh!
Du schaust ja in den Wein so bitter
Wie Requiem und Kyrie.
Was spinnst du an dem alten Werg?
Laß die Kapuze grauen Sündern,
Und deine Burg, die laß den Kindern,
Dein schönes, festes Cappenberg!«
Und drunten in dem feuchten Turme
Der Heil'ge flüstert: »Großer Gott,
Allgegenwärt'ger du im Wurme
Als in der Krone blankem Spott,
Wie größer deine Allmacht zeigt
Sein Füßchen, das lebendig zittert,
Als eine Mauer die verwittert,
Und ob ein Babel drüber steigt!«
»Ja,« spricht der Graf, den Humpen schwenkend:
»Wär' Norbert hier, dein ESelmann,
Ich ließ ihm füllen, dein gedenkend,
Und trinken möcht' er, was er kann;
Doch da ihm Pech und Schwefel glüht,
Was andern Schächern mild und süße,
So bleibt er besser im Verließe,
Ein wohlkasteiter Eremit.«
Und drunten spricht's mit mildem Tone:
»Du der, des Himmels höchste Zier,
Gezogen bist zur Dornenkrone
Auf einem still demüt'gen Tier,
Du, der des Mondes Lieblichkeit
In meinen Kerker ließest rinnen,
Gezähmt mir die vertrauten Spinnen,
Du, Milder, seist gebenedeit!«
Und Gottfried, kämpfend mit den Tränen,
Ergreift den Humpen, noch gefüllt,
Vor seinem Ohr ein leises Stöhnen,
Vor seinem Aug' ein bleiches Bild.
O, dringen möcht' er durch den Stein,
Wo seine sünd'gen Füße stehen,
O, einmal, einmal möcht' er sehen
Durch Lichterglanz den Heil'genschein!
»Ha!« zürnt der Graf, »was ließ ich schenken
Dir meinen allerbesten Wein!
Eh möcht' ich einen Schädel tränken,
Ja, oder einen Leichenstein.
Gottfried, Gottfried, ich schwör es dir,
So wahr ich Friedrich« - seht ihn stocken,
Vor seinem Auge schwimmen Flocken,
Er hebt sich auf, er schwankt zur Tür,
Und plötzlich auf den Estrich nieder
Taumelt er wie ein wundes Roß,
Es zucken, strecken sich die Glieder.
Welch ein Getümmel in dem Schloß!
»Krank« dieser, »tot« spricht jener Mund,
Ja wahrlich, das ist Todes Miene,
Und eine mächtige Ruine
Liegt Friedrich auf dem eignen Grund.
Die Humpen sind in Hast zertrümmert,
Burgunderblut fließt übern Stein,
Die Lampen mählich sind verkümmert,
Wie Erdenlust sie qualmten ein.
Doch drüben, in des Klosters Hut,
Entflammte man die ew'ge Leuchte,
Und knieend alles Volk sich beugte
Dem reinen Wein, der Christi Blut.

Anmerkungen

Schloss Cappenberg

Die Cappenberger Grafen waren mit den Saliern und Staufern verwandt und waren ein mächtiges und reiches Herrschergeschlecht. In den Investiturkriegen, als sie den Kampf der sächsischen Bevölkerung unter Herzog Lothar von Supplinburg gegen Kaiser Heinrich V. unterstützten, zogen die Grafen Gottfried und Otto von Cappenberg im Februar 1121 unter der Führung des Herzogs Lothar mit starker Heeresmacht nach Münster. Ein großer Teil der Stadt Münster wurde zerstört, auch der alte Dom ging in Flammen auf. Bevor ein Prozess gegen ihn wegen schweren Landfriedensbruchs eröffnet werden konnte, übergab Gottfried – aus Reue oder aus Furcht vor dem kaiserlichen Bann – den größten Teil seines Besitzes in Westfalen dem Gründer des Ordens von Prémontré, Norbert von Xanten, entsagte dem weltlichen Leben und zog in ein Kloster ein. Damit blieb er – nach damaliger Gepflogenheit – straffrei.

Stiftskirche Cappenberg

Im Jahr 1122 nach Beschluss des Wormser Konkordats kehrte der Graf als Gottfried II. (später der Heilige Gottfried) als letzter Graf von Cappenberg zurück und richtete dort ein Prämonstratenserstift ein. Für seine Frau und für seine Schwester richtete er gleich daneben ein Frauenkloster ein.

Das Stift wirtschaftete erfolgreich und konnte einen erheblichen Reichtum ansammeln, der heute noch zum Teil in der auf dem Gelände befindlichen Stiftskirche sichtbar ist. Während des Dreißigjährigen Krieges wurde das Kloster größtenteils zerstört; die heutige barocke Dreiflügelanlage wurde ab 1708 erbaut.

Nach fast 700-jährigem Bestehen wurde das Stift im Jahre 1803 aufgelöst und zur Preußischen Staatsdomäne umgewandelt. Zwischenzeitlich unter französischer und bergischer Verwaltung stehend fiel der Besitz 1815 wieder an den Preußischen Staat und wurde 1816 von dem ehemaligen Staatsminister Karl Freiherr vom und zum Stein erworben. Er renovierte die Gebäude und bewahrte sie so vor dem Verfall.

Im 2. Weltkrieg diente das Schloss Cappenberg zur Aufbewahrung von Kunstwerken zum Schutz vor den Bombenangriffen der Alliierten. So wurde die Sammlung des Museums für Kunst- und Kulturgeschichte Dortmund nach Cappenberg ausgelagert. Auch Kunstschätze aus verschiedenen zerstörten Kirchen Westfalens, etwa der Marienaltar von Konrad von Soest aus der Dortmunder Marienkirche, wurden hier verwahrt.

Ab 1946 wurde die Sammlung des Museums für Kunst- und Kulturgeschichte in Cappenberg ausgestellt. Die Rückführung der Sammlung nach Dortmund erfolgte erst mit der Neueröffnung des dortigen Museums im Jahre 1983.

1985 mietete der Landschaftsverband Westfalen-Lippe gemeinsam mit dem Kreis Unna Räume im Schloss an und baute sie zu einem Museum aus. Seitdem sind hier in Zusammenarbeit mit der Stiftung Preußischer Kulturbesitz verschiedene Ausstellungen zu sehen. Im Westflügel der Anlage befindet sich das Archiv des preußischen Staatsministers Freiherr vom Stein, der von 1824 bis zu seinem Tod 1831 im Schloss Cappenberg wohnte und neben seinem eigenen Nachlass auch den Urkundenbestand des Stiftsarchivs hinterließ. In der ehemaligen Stiftskirche wird ein aus der Zeit um 1160 stammender Portraitkopf von Kaiser Friedrich I. Barbarossa aus vergoldeter Bronze aufbewahrt.

Heute ist das Schloss Cappenberg ein Ausflugsziel, beherbergt ein Museum und ist Teil der Route der Industriekultur. Es finden dort regelmäßig Kunstausstellungen und Konzerte statt. Siehe Wikpedia

Kaum ein Ereignis hat die Geschichte Westfalens so nachhaltig beeinflusst, wie das freiwillige Abtreten der Brüder von Cappenberg von der politischen Bühne.

Schloss Cappenberg (WGS 84: 51° 39' 02.87" 7° 32' 20.79")

Literaturnachweis

  • Annette von Droste – Hülshoff , Die Stiftung Cappenbergs, Ballade geschrieben um 1840-41 (MSR, Nr 73; (vgl. P. Am S. 149f.; dazu Schw.fü, 194 ; SS, 168f


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Diese Sage folgt der Themenroute 22 – Mythos Ruhrgebiet der Route der Industriekultur des Regionalverbandes Ruhr.
Der RVR bietet zum Thema »Schloss Cappenberg« folgende Informationen.


Hier finden Sie: Schloss Cappenberg (51.650797° Breite, 7.539108° Länge)

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Diese Sage ist in den bisher erschienen Werken von Dirk Sondermann nicht enthalten. Von ihm erschienen die Bücher Ruhrsagen, Emschersagen, Bochumer Sagenbuch, Wattenscheider Sagenbuch und Hattinger Sagenbuch. Weitere Publikationen sind in Vorbereitung. Bitte beachten Sie auch unsere Veranstaltungshinweise.


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