Die Lindener Madonna
Aus Sagenhaftes Ruhrgebiet
Der Name »Linden« stammt angeblich von mehreren großen Lindenbäumen, die früher den Ort mit ihren mächtigen Kronen schmückten. Eine ausgewachsene Linde ziert auch das Siegel der Gemeinde. Bekannt ist die katholische Liebfrauenkirche von Linden. Sie beherbergt ein hoch geehrtes Marienbildnis: Eine Legende, die in Linden und Dahlhausen verbreitet ist, berichtet, dass die Madonna um das Jahr 1820 herum bei Stiepel in die Ruhr geworfen worden sei. In aufrechter Stellung sei sie flussabwärts geschwommen und auf einer Insel in Dahlhausen gelandet. Zwei vorübergehende Bauern hätten das auf der Insel stehende Bild bemerkt und sofort in die Notkirche nach Linden gebracht. Eine andere Darstellung, die sich auf die mündlichen Überlieferungen einer alteingesessenen Lindener Familie gründet, berichtet dagegen, dass unmittelbar nach der Verkündigung des Dogmas von der »Unbefleckten Empfängnis Mariae« durch Papst Pius IX. im Jahre 1854 die während der Reformation zum Protestantismus übergetretenen Stiepeler versucht hätten, das Bild »der Maria«, das bisher noch unbeachtet auf einer Konsole ihrer Kirche gestanden habe, in der Ruhr zu ertränken. An einem Nachmittag habe man es zur Ruhr gebracht und im Beisein einer großen Volksmenge in die Flut geworfen. Am nächsten Morgen jedoch habe der Küster zu seinem Schrecken die Muttergottes auf ihrem alten Platz in der Kirche wieder vorgefunden und dieses sofort dem Pfarrer gemeldet. Nach einer geheimen Beratung mit einigen verschwiegenen Presbytern habe man – unbemerkt von der Bevölkerung – im Dunkel des Abends das Bild erneut in die Ruhr geworfen. Und wieder stand die Statue bei Anbruch des nächsten Tages auf ihrem Sockel. Von Schrecken und Angst ergriffen, wagte man nicht mehr, das Marienbild zu berühren, blieb aber dabei, dass es aus der Kirche entfernt werden müsse. Einer der Presbyter sei dann nachmittags mit Pferd und Wagen nach Linden gefahren und habe dort einem ihm bekannten katholischen Gastwirt unter dem Siegel der Verschwiegenheit das Vorgefallene erzählt und gebeten, »die Maria« wegzuholen. Am gleichen Abend sei dann der Gastwirt mit seinem Bruder und einem Knecht »op dä Stoetkaar« nach Stiepel gefahren, um die Muttergottes mit dem Jesuskind nach Linden zu bringen. In Stiepel hätten die beiden Brüder das Bild von dem Sockel heruntergenommen und in einem Sack geborgen. Ein Presbyter habe ihnen vor der Rückfahrt noch erklärt: »Dä hoal gitt doch nich doa – dä kömmt wier.« (Die haltet ihr doch nicht da – die kommt wieder.) Darauf sei ihm von den Lindenern erwidert worden: »Wann wie dä eenmoal in Linnen hätt – dann sall sä schon doa bliewen.« (Wenn wir die einmal in Linden haben – dann wird sie schon da bleiben.) Das Bild habe dann zuerst in dem Bauernhause der Brüder gestanden, sei aber später in der Notkirche aufgestellt und im Jahre 1867 feierlich in die Liebfrauenkirche in Linden an der Hattinger Straße 814 übergeführt worden. (Deuschle)
Anmerkungen
Nach neueren Erkenntnissen gilt es als wahrscheinlich, dass die Lindener Madonna, die thronend mit dem Christuskind dargestellt ist, zusammen mit dem Stiepeler Gnadenbild, das die Heilige Maria mit dem auf ihrem Schoß liegenden gekreuzigten Christus (eine Pieta) zeigt, bis in das 19. Jahrhundert hinein in der alten (Bochum-) Stiepeler Dorfkirche (siehe Sage 45) beheimatet war. Das letztere Gnadenbild wird heute, in der Anfang des 20. Jahrhunderts errichtete, Bochum-Stiepeler St. Marien-Wallfahrtskirche Am Varenholt 9 verehrt. Die Wallfahrtskirche ist meist geöffnet. Die neugotische Liebfrauenkirche wurde 1865 als Backsteinbau errichtet und ist nur zu den Gottesdienstzeiten geöffnet. »Op de Stoetkaar« bedeutet »auf der Sturzkarre,« wohl eine Art von Pferdewagen.
Liebfrauenkirche (WGS 84: 51.427° 7.161817°)
St. Marien-Wallfahrtskirche (WGS 84: 51.4317° 7.228667°)
Stiepeler Dorfkirche (WGS 84: 51.416417° 7.235233°)
Literaturnachweis
- Sondermann: BS, Nr. 75 (nach J. Deuschle, 2–24; Winter, 1987, 183f.)
Hier finden Sie: Liebfrauenkirche (51.427° Breite, 7.161817° Länge)
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Dieser Text wurde folgendem Buch von Dirk Sondermann entnommen:
Essen: Verlag Pomp, 2007
ISBN 978-3893552542.
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