Die Krone auf der St. Laurentius-Kirche
Aus Sagenhaftes Ruhrgebiet
Im Jahre 938 hielt König Otto I., der spätere Kaiser Otto der Große, in Steele den ersten seiner Reichs- und Gerichtstage ab. Aus diesem Grund wurde auch der westfälische Teil der ehemaligen Stadt Steele über eine lange Zeit hindurch Königsteele genannt.
Diese Versammlung in Steele bildete den Anfang einer Reihe von Reichstagen, in welcher der noch sehr junge König seine Macht festigen und das Reich vor einem drohenden Zerfall bewahren konnte. Die Fürsten beanspruchten damals für sich mehr Selbstständigkeit und wurden in ihrem Streben nach Unabhängigkeit vom Mainzer Erzbischof unterstützt. Erschwert wurden Ottos Bemühungen um die Einheit Deutschlands dadurch, dass ihm die eigenen Brüder den Thron nicht gönnten. Ein Herzog (wohl Eberhard von Franken, D. S.) hatte bereits den bei der Königskrönung geleisteten Gefolgschaftseid gebrochen. Deshalb wurde in Steele in Anwesenheit der anderen Fürsten über diesen abtrünnigen Herzog die Reichsacht verhängt.
Nicht nur in großen Staatsgeschäften, sondern auch in allgemeinen Rechtsangelegenheiten musste der König entscheiden. So ging es in Steele auch um die Streitfrage, ob die Nachkommen von nicht mehr lebenden Kindern von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen werden sollen oder nicht. Der König musste als oberster Richter in dieser Grundsatzfrage eine Entscheidung treffen. Otto war jedoch ein junger König, der seine Macht noch zu festigen hatte. Deshalb durfte er keinen seiner Fürsten verärgern. Eine Entscheidung für die einen war zugleich eine Entscheidung gegen die anderen. Aus politischer Klugheit heraus überließ Otto die Angelegenheit daher einem »Gottesurteil«. Ein ritterlicher Zweikampf sollte entscheiden. Hoch zu Ross gingen die Zweikämpfer gut gepanzert aufeinander los. Diejenigen, die an der Rechtsfrage wenig interessiert waren, freuten sich über die Abwechslung, die ihnen dieser Schaukampf bot. Nach zähem Ringen verlor am Ende einer der Ritter das Gleichgewicht und stürzte vorn Pferd. Der Kampf war beendet, die Entscheidung getroffen. Der Ritter, der dafür war, dass nur die Nachkommen der noch lebenden Kinder erben sollten, hatte verloren. Seitdem gilt bis zum heutigen Tag, dass auch verwaiste Enkel von ihren Großeltern etwas erben können und in der gesetzlichen Erbfolge nicht. übergangen werden dürfen. Heute ziert eine Krone den zweiten Turm der mächtigen Laurentiuskirche in Steele. Sie soll an das bedeutende Ereignis erinnern, das in dem damals kleinen Ort an der Ruhr stattfand.
Anmerkungen
Die Laurentiuskirche liegt am Laurentiusberg in Essen. Das Getreide zur Brotherstellung für die zahlreichen Reichstagsgäste lieferte der Oberhof Eickenscheidt; eine organisatorische Meisterleistung! In der Folge stiegen die Inhaber des Hofes im Jahr 1035 zu Ministerialen, also in den Stand des Dienstadels, auf.
St. Laurentius Kirche (WGS 84: 51.44835° 7.073917°)
Literaturnachweis
- Heinrichs, 44;
- Voigt, 14f.
Hier finden Sie: St. Laurentius Kirche, Essen-Steele (51.44835° Breite, 7.073917° Länge)
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Dieser Text wurde folgendem Buch von Dirk Sondermann entnommen:
Essen: Verlag Pomp, 2004
ISBN 3-89355-248-0.
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