Die Jobsiade und der Kortum-Brunnen

Aus Sagenhaftes Ruhrgebiet

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Der Kortum-Brunnen zu Bochum

Dr. Carl Arnold Kortum (1745-1824), der »Goethe Bochums«, seit 1771 als praktischer Arzt in unserer Stadt tätig, verfasste unter anderem grotesk-komische Heldengedichte in Knittelversen. Am bekanntesten wurde seine lesenswerte Jobsiade (ein komisches Heldengedicht), eine dreiteilige Lebensbeschreibung eines verbummelten Theologiestudenten als Satire auf deutsches Spießertum und Studentenleben, die 1874 von Wilhelm Busch illustriert wurde.

Der erste Teil wurde 1784 unter dem Titel Leben, Meynungen und Thaten von Hieronimus Jobs, dem Kandidaten anonym veröffentlicht; die erste vollständige Ausgabe erschien 1799:

In dem schwäbischen Städtchen Sulzburg (in späteren Auflagen Schildburg) wohnt der wohlhabende, kinderreiche Ratsherr Hans Jobs. Als seine Frau wieder einmal niederkommen soll, träumt sie, sie hätte statt eines Kindes ein großes Horn geboren. Die Deutung des Traums verspricht ihr einen Sohn, der einst als Pastor sein Glück machen werde: »Denn das beweise klärlich und schön / Das große Horn mit seinem Getön.« Der bald darauf geborene Sohn bekommt den Namen Hieronimus und ist als Kind ungehorsam und genäschig. In der »deutschen« wie in der »lateinischen« Schule leistet er wenig. Seine Lehrer beurteilten ihn wie folgt:

»Das Studieren ist wahrlich nicht seine Sache,
Drum ist’s am klügsten getan, man mache
Einen hiesigen Ratsherrn aus ihm
Oder tu ihn sonst wo zum Handwerke hin.«
Diese Rede hat den Eheleuten Jobsen,
Wie leicht zu schließen ist, heftig verdrobsen,
Drum hörten sie solche mit Verachtung an
Und hielten den Rektor für’n dummern Mann.
Es wurden nun mehr Freunde zu Rate gezogen,
Und die Sache vernünftig pro et contra erwogen.
Und’s ging in der Versammlung grade so her,
Als wenn der alte Jobs zu Rathause wäre.
Nämlich, nach etwa drittehalb Stunden
Ward ein Mittel zur Vereinigung funden:
Man stellte weislich auf’n neuen Termin
Die Sache zur nähern Erwägung dahin.
Kap. 8,5-9

Schließlich sollte Jobs nach der Weissagung einer alten Zigeunerin nicht Ratsherr, sondern – wie seine Eltern zu verstehen glaubten – Pfarrer werden. Sein Theologiestudium beginnt damit, dass er auf der Fahrt zur Universität einen beträchtlichen Teil seines Geldes verspielt; überdies erleichtert ihn die schöne Amalia Ripsraps bei »süßer, vertraulicher Zärtlichkeit« auch um seine Uhr. Statt sich der Theologie zu widmen, verlegt er sich danach auf Wein, Tabak und Bier. Zu geistiger Anstrengung bequemt er sich nur, wenn er seinen Vater in Briefen um Geld bittet. Nach drei Jahren fällt er deshalb, von jeglichem Wissen unbelastet, prompt durchs Examen.

Den Ablauf der Prüfung – einer Zeichnung Wilhelm Buschs nachempfunden – zeigt der Kortum-Brunnen am Husemannplatz. Dargestellt ist der Moment der theologischen Prüfung vor dem Professorenkollegium. Jobs im Vordergrund stehend beantwortet die Frage: »Was ist ein Bischof? Jobs: Ein Bischof ist, wie ich denke, ein sehr angenehmes Getränke. Aus rotem Zucker und Pommeranzensaft und wärmet und stärket mit großer Kraft.

Auf die Antwort des Kandidaten Jobses geschah ein allgemeines Schütteln des Kopfes« (wie am Brunnen zu sehen).

Jobs wurde Weiteres gefragt, wusste aber rein gar nichts und fiel mit Pauken und Trompeten durch. Schließlich wurde er nicht Pfarrer, sondern Nachtwächter; am Brunnen hinten, Jobs mit dem Stundenhorn in der Hand, dargestellt.

Was soll‘s ? Auch mein ehemaliger Nachbar Wolfgang Welt wurde statt Studienrat Nachtwächter am Schauspielhaus Bochum und schrieb dennoch die zum Teil in Langendreer handelnden Erfolgsromane Peggy Sue und Der Tick.

Nachdem Jobs sodann als Sekretär, Gesellschafter, Lehrer (in der Dorfschule von Ohnewitz) und Schauspieler allerlei Abenteuer bestanden hat, übernimmt er in Schildburg die Witwe und das Horn des verstorbenen Nachtwächters, womit sich der Traum seiner Mutter erfüllt. Im Alter von vierzig Jahren wird er zu Grabe getragen. Doch während der Beerdigung ertönt im Sarg ein »Stöhnen, Pochen und Prallen«. Seine Frau stirbt vor Schreck. Der scheintote Hieronimus dagegen kommt wieder zu Kräften, studiert zum zweiten Mal mit mehr Glück, wird mustergültiger Pfarrer in Ohnewitz und schließlich sogar Ehrendoktor. Er muss vor den französischen Revolutionstruppen flüchten, findet aber gute Aufnahme bei Amalia und stirbt als Herr von Schloss Schönhain, das ihm die ehemalige Geliebte vermacht hat.

Erst nach dem durchschlagenden Erfolg des ersten Teils, in dem die Geschicke des Helden bis zu seinem Tod als Nachtwächter erzählt werden, kam Kortum auf die Idee, Jobs zu weiteren Abenteuern wieder zu erwecken. Es entstanden zwei Fortsetzungen, die 1799 mit dem ersten Teil unter dem Gesamttitel Die Jobsiade vereinigt wurden. In Knittelversen abgefasst, die Kortums dankbar erwähntes Vorbild Hans Sachs an Verschrobenheit in Reim und Versmaß übertreffen, wurde das Werk nicht zuletzt durch die naiven Holzschnitte, mit denen der Autor es selber bebildert hat, zum Spiegelbild der deutschen Kleinstadt (Schildburg) und des nichtsnutzigen Studenten. Dabei ist der erste Teil des Werks - versehen mit zahlreichen autobiographischen Zügen - den beiden späteren an Einfällen überlegen. Der Erfolg blieb Kortums weitverbreitetem Volksbuch während des 19. Jahrhunderts und darüber hinaus treu. Johann Peter Hasenclever schuf dazu begeistert aufgenommene Kupferstiche und Lithografien.

Die Jobsiade hat A. Barkhausen sogar vertont (Uraufführung Hannover 1936.)

Mit Joseph Haas: Die Hochzeit des Jobs (Uraufführung 1944) folgten bald darauf eine zweite, auf das Werk fußende, Oper.

Vielleicht nehmen sich die Bochumer Symphoniker sich einmal dieser Kompositionen an?

Vorbild für Jobs soll der gescheiterte Wattenscheider Kandidat der Theologie Johann Gerhard Ludwig de Boy (rückwärts gelesen Job) gewesen sein, dessen Vater Kaufmann und erster Ratsherr in Bochum sowie Patient von Kortum gewesen war. Beachte die deutliche Ironie Kortums bezüglich der »Ratsarbeit« in den oben angeführten Versen. Boy hat auch einmal in der reformierten Kirche zu Wattenscheid gepredigt, aber als »beschränkter Mensch« nie sein Staatsexamen gemacht, und ist als Kandidat gestorben. Boy als prahlerischer Herausforderer armer Kommilitonen und gescheiterter Kandidat in Wattenscheid: das könnten schon Züge gewesen sein, die Kortum seinem Hieronymus Jobs verlieh.

Anmerkungen

An der Oststr. 3 stand das ehemalige Wattenscheider Rathaus, in dessen Saal die reformierte Gemeinde bis 1820 ihre Gottesdienste abhielt.

Kortums ehemaliges Haus stand an der Bongardstr. 31. Bestattet ist Kortum im Kortumpark an der Wittener Straße hinter dem Hauptbahnhof. Sein Grabmal liegt hinter der Sandsteineinfassung, ungefähr 40 m von dem am Bürgersteig liegenden Teich entfernt.

Kortum-Brunnen (WGS 84: 51.480112° 7.21658°)

Literaturnachweis

  • Kindler, 677f.
  • Scheler, 65f;
  • Welt;
  • Kortum 1784, 21f.
  • Busch 1992
  • Kortum, 1790, 135


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Diese Sage folgt der Themenroute 22 – Mythos Ruhrgebiet der Route der Industriekultur des Regionalverbandes Ruhr.
Der RVR bietet zum Thema »Kortum-Park« folgende Informationen.



Hier finden Sie: Kortum-Park Bochum (51.479381° Breite, 7.229922° Länge)

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Dieser Text wurde folgendem Buch von Dirk Sondermann entnommen:

Bochumer Sagenbuch.
Verlag Pomp, 2004
ISBN 978-3893550678.




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