Des Nibelungen Siegfrieds Drachenkampf an der Isenburg

Aus Sagenhaftes Ruhrgebiet

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Siegfried kämpft gegen den Drachen

(Jürgen Lodemann) Nun aber verschloss Siegfried Kettenpanzer und Helm, schwang sein Schwert Balmunk und freute sich, endlich ein wirkliches Abenteuer zu bestehen, ein ritter­liches. Stieg auf einen Felsen über dem Fluss und sah, wie die Ruhr kochte. (…) Feuerdünste stieß der Drache vor sich her und eine Hitze, unter der die Ruhr tat­sächlich kochte, unter denen die Flusswellen aufsprangen wie Wasserflammen. Über die flachen Hänge vom Süden her schwankte nun das heran, was alles Leben er­stickt, was die Waldwelt in Asche verwandelt, in Wüste. (…) Der in der Tarnkappe musste sich auf seinem Felsenplatz festhalten, so stark bebte nun der Steingrund, so scharf ätzte der Gestank. Atemluft wurde knapp. Feuer sagt niemals, jetzt ist’s genug, Feuer will immerfort alles und jeden ver­brennen. Der Niederländer wich zurück, lief den Hang zur Isenburg hinauf, auf den breiten Mauern hoffte er frischere Luft zu finden, festeren Halt. Ja, und dort oben sah er dann, wie der Koloss das Flusstal nachgerade ausfüllte, breit und fett schwappte das Giervieh hierhin, dorthin und wuchtete und schob mit riesigem Hintern Alberichs Eisenhütte beiseite. (…)

Dem Xantener … rollte vor die Füße ein Steinbrocken, ein Bruchstück aus den Isenburgmauern, von gutem Ambossgewicht … Da packte er das Felspaket, schleppte das auf den vordersten Burgwall und stieß dort den Klotz weit von sich weg, in großem Bogen in die Tiefe. Und das Feuervieh getroffen, traf den Gramberg mitten auf seinen breiten Leib. Der röhrte, hustete und heulte, der musste nun wütend herum toben, ja, der sperrte nun seinen Rachen Gin weit auf und spuckte Feuerschlamm, schwarze Stinkschwaden erbrach Nidgir und spie schauerliches Gift … Ach, grauenhafte Flammen warf der Raffriese vor sich her, so dass in der Drachenhitze die Ruhr schier verkochte, dass der Fluss sich verwandelte in brüllend pfeifende Geysire, ja der Tumult ließ das brühheiße Ruhrwasser rückwärts fließen. Als der Niederländer in den weit aufgerissenen glühenden Drachenrachen blickte, da beeilte er sich, da klaubte er aus der Burgmauer einen zweiten Brocken, schleu­derte auch den und traf diesmal das Scheusal mitten in den Schlund. Da musste das sich um den Steinklotz herumkrümmen und hatte grässlich zu wimmern, musste sich mit schlagendem Schwanz durch das Flussbett wälzen, bis endlich das Untier den Felsbrocken ausrülpsen konnte. Der war zu Lava geschmolzen. Nun aber kotzte das Monster neue Flammen, schnaubte und spuckte schwefelgelbe Giftluft und kroch, unter der Deckung seiner bräunlich heraus gezischten Gasschwaden den Steilhang hoch, dorthin, von wo die Steinbrocken geschleudert wurden. (…) Zu Alberichs Isenburg hinauf schob sich das schuppengepanzerte Rasselungetüm, erhob turmhoch seine Krötenfratze, das fauchte Feuer, Eiter und Ätzgas, hieb mit dolchspitzen Tatzen vor sich herum, schlug sich durch die Stinkschwaden unaufhaltsam weiter nach oben, immer näher heran an den Niederländer, wuchtete den Waldhang empor, haute Felsen weg und Bergbrocken wie wir Sachsenzelte, knickte Buchen und Eschen wie unse­reiner Stroh. Der Xantener sah zu, dass er rechtzeitig auf Bergsporne sprang, die nicht zertrümmert wurden … Befeuert von der Stimme hinter sich oder in sich, trieb der Nibelunge das Spiel so lange, bis die Kräfte des Gastes am Ende waren, bis Nidgir über dem Ruhrhügel lag wie ein ausgepumpter Stier, schwer japsend, als sei ihm die Brunst vergangen. Dann erst, obwohl es den Königssohn schwindelte von der beißenden Säuernis, dann erst sprang der getarnte vor, lief bis dicht vor den Koloss und hieb ihm mit seinem diamantharten, doppelschneidigen Schwert eine der vorderen Drachentatzen weg. (…) Da höhnte der cheruskische Prinz und schrie den Nidgir an: »Nun heb sie hoch, nun zeig sie her, deine Saftpratzen!« (…) Im Wutschrei richtete der sich hoch auf, reckte beide triefenden Stümpfe hoch über sich, fiel dann rücklings gegen den Ruhrhang und spuckte und erbrach sich, und wo das Erbrochene auf Felsen traf, da zerschmolzen die Felsen zu Lava und zu Kohlenglut. Der Königssohn, in den Ätzdämpfen halb von Sinnen, sprang an dem Panzertier seitwärts hinab, duckte sich in einen der Flözgräben, aus denen die Brennsteine gebrochen worden waren, und gelangte auf diese Weise tief hinab, tief unter den Bauch des Ungeheuers. Und von dort, von ganz unten, aus einer Kohlengrube her­aus, konnte er seinen Balmunk hineinstoßen in den Giftschlurch, in den Gierberg (Drachen). (…)

Tief drang Balmunk ein, und mit dem zurückgezogenen Stahl schoss in breitem Schwall öliger Schmier hervor. Noch einmal reckte das Biest sich hoch, hohles langes Heulen erfüllte Nebelland, gurgelnder Todeskrampf durchzuckte den Weltzerfresser. Eine Weile sah es aus, als stehe der fest über dem Abgrund, und so, im Aufbäumen, ging Nidgir kaputt. Der Mächtigste kippte rauchend und donnernd hintenüber, stürzte mitten hinein ins Ruhrwasser und blieb dort liegen. Bauch oben und quer über dem Flussbett, so lag er da. Die Ruhr wollte nun wieder abwärts strömen, staute sich aber an dem Kadaver. Aus öligem Saft und Wasser bildeten sich Drachenblutstrudel, die schillerten grün und violett und kreiselten und lurten und raunten. (…)

Nach dem Todesstoß war der Xantener auf eine Anhöhe gesprungen und von dort, das Schwert noch in der Faust, schaute er hinab und sah, wie Wasser und Schmier sich stauten, wie ein See sich bilden wollte und wie sich nun alles verwandelte – da schleuderte er den Balmunk zur Seite, schrie: »Nidgir ist kaputt!« Riss sich die Nebelkappe vom Kopf, auch die blutige Brünne, den Helm, das ganze verschmierte

triefende Stahlhemd aus Stechpalmenblättern, alles warf er sich vom Leib und sprang nackt umher, stieß die Arme hoch und tanzte, schreiend vor Glück. (…)

Anmerkungen

Der Schriftsteller Jürgen Lodemann siedelt den Drachenkampf Siegfrieds in seinem lesenswerten Roman »Siegfried und Krimhild« an der Isenburg an. Auf der Isenburg wurde nachweislich im 13. Jahrhundert Eisen verhüttet. Lodemanns Text ist hier aus Platzgründen stark gekürzt wiedergegeben. Auf der Nordwand des Altarraums der (Bochum-) Stiepeler Dorfkirche ist ein Drachenkampf dargestellt (siehe das Foto auf Seite 21). Der Held erschlägt den Drachen mit einem Schwert. Zwei auf Anhöhen gelegene, das Kampfgeschehen ein­rahmende Burgen sowie der am unteren Bildrand verlaufende Fluss lassen den Eindruck entstehen, dass der Künstler das Geschehen in unsere Gegend verlegt hat. Einige Lokalhistoriker vermuten, die auf dem Bild rechts oben gelegene Burg sei Blankenstein in Hattingen. Dass der abgebildete Ritter Siegfried den Drachentöter darstellen soll, wie einige Hobbyhistoriker behaupten, ist unwahrscheinlich, da dieser heidnische Held wohl kaum in einer Kirche dargestellt worden wäre und sein Wirken in unserer Gegend wissenschaftlich nicht belegt ist. Den Altarraum ziert St. Georg, der mit einem Schwert und nicht – wie gewöhnlich dargestellt – mit einer Lanze den Drachen tötet.

Isenburg (WGS 84: 51.387667° 7.152067°)

Stiepeler Dorfkirche (WGS 84: 51.416417° 7.235233°)

Burg Blankenstein (WGS 84: 51.406567° 7.2295°)

Multimedia

Gelesen von Gisela Schnelle-Parker, Aufnahme und Bearbeitung von Robin Parker.


Literaturnachweis

  • Lodemann, „Siegfried und Krimhild,“ S. 86-91 (Mit freundlicher Erlaubnis des Verfassers.)


Hier finden Sie: Isenburg (51.387667° Breite, 7.152067° Länge)

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Dieser Text wurde folgendem Buch von Dirk Sondermann entnommen:

Hattinger Sagenbuch.
Essen: Verlag Pomp, 2007
ISBN 978-3893552542.



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