Der vergrabene Schatz (Bochum)
Aus Sagenhaftes Ruhrgebiet
Einstmals fielen feindliche Soldaten raubend und plündernd in Stiepel ein. So mancher Bauernhof ging in helle Flammen auf. Voller Schrecken flohen die Bewohner der umliegenden Höfe in den nahen Wald, um sich vor den Angreifern zu verbergen. Ein reicher alter Bauer nahm sein gesamtes Geld und vergrub es in aller Eile zwischen seinem Haus und dem in der Nähe der Tür liegenden Brunnen. Rasch stampfte er den lockeren Boden wieder fest, denn bald schon würden die Kriegsleute auch seinen Hof heimsuchen; da der Bauer schon alt und grau war, hoffte er auf Schonung seines Lebens. Und wirklich – kurz darauf erreichten die Soldaten seinen Hof. Wein, Schinken, Wurst – alle verfügbaren Lebensmittel bot er ihnen dar, doch die Männer wollten keine Speisen, sondern verlangten Schmuck und Geld; auf einem solch großen Bauernhof müsse doch was zu holen sein, dachten sie. Der Greis beteuerte, er besitze nichts von Wert, woraufhin sie alle Räume des Hofes durchsuchten; sie kehrten das Unterste zuoberst, fanden aber nichts. Wieder gingen sie den Alten an: »Wo hast du dein Geld versteckt?«; er leugnete noch immer Barschaften zu besitzen. Voller Wut schlugen sie auf ihn ein – immer wieder, bis der Bauer starb – doch sein Geheimnis hatte er mit in den Tod genommen, so dass die Landsknechte ohne Gold und Silber wieder abziehen mussten. Einige Tage danach kehrten seine Angehörigen zum Hof zurück und fanden den Bauern erschlagen im Haus liegen. Am selben Tag noch begruben sie ihn. Da das Geld verschwunden war, glaubte man, die Soldaten hätten es geraubt. Einige Jahre später sah man bisweilen ein blaues Flämmchen auf dem Brunnenrand tanzen. Diese Erscheinung konnte nur eines bedeuten: Den Schatz des alten Bauern hatten damals doch nicht die Kriegsleute erbeutet, sondern er musste irgendwo in der Nähe des Brunnens vergraben liegen! Keiner traute sich jedoch, diesen Hort zu bergen, denn vergrabene Schätze sind fluchbeladen, und wahre Höllenhunde bewachen sie, so sagte man. Noch vor kurzer Zeit hat eine junge Frau das blaue Flämmchen auf dem Brunnen tanzen gesehen; so wartet der sagenumwobene Schatz wohl heute noch auf seinen mutigen Finder!
Der Ursprung von »Schatzsagen« ist wahrscheinlich im germanischen Totenkult zu suchen. Nach der Vorstellung der Germanen hatte ein Verstorbener dieselben Bedürfnisse wie ein Lebender, weshalb seinem Grab Nahrung, Waffen und Schmuck, je nach seiner sozialen Stellung zu Lebzeiten, beigegeben wurde. Der Tote war der Besitzer und Hüter des Grabschatzes und aller anderen Schätze, die er zu Lebzeiten vergraben hatte. Die Gaben konnte der Verstorbene mit ins »Paradies der Germanen« nach Walhalla nehmen und so, standesgemäß versorgt, das ewige Leben genießen. Wollte er auch im Tode Nutznießer dieses Reichtums sein, so war er natürlich gezwungen, diesen vor Schatzsuchern und Grabräubern zu schützen. Zu diesem Zweck erschien er solchen Leuten als furchteinflößender Geist, in Gestalt eines Hundes, einer Schlange, einer Kröte oder eines Pferdes.
In christlicher Zeit wurde der »heidnische Brauch« des Grabbeigebens von der Kirche als Sünde bezeichnet. Wer es dennoch tat, musste dieses Vergehen nach dem Tod büßen: Von nun an wurden Schätze bewachende Geister mit armen, auf Erlösung hoffenden Seelen gleichgesetzt. Im ausgehenden Mittelalter hieß es schließlich: Der Teufel persönlich hütet vergrabene Schätze!
Stiepeler Dorfkirche (WGS 84: 51.416417° 7.235233°)
Literaturnachweis
- Tetzlaff,72f.
Hier finden Sie: Stiepeler Dorfkirche (51.416417° Breite, 7.235233° Länge)
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Dieser Text wurde folgendem Buch von Dirk Sondermann entnommen:
Verlag Pomp, 2004
ISBN 978-3893550678.
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