Der tolle Jost von Strünkede
Aus Sagenhaftes Ruhrgebiet
»Nördlich, nahe bei Herne... liegt ein gewaltiges Wasserschloß... Jost von Strünkede, der wildeste Ritter im Münsterlande, (saß) in diesem Wasserkastell und jagte Bürger und Bauern bis die Recklinghauser, toll gemacht wie gereizte Wespen, über den Gefürchteten herfielen und ihn mit Äxten, Schipp’ und Beilen erschlugen.« (Fritz Mielert, 1922)
- Es war einmal eine schlimme Zeit
- Im Vest Recklinghausen;
- Die Leute klagen weit und breit,
- Weil der schreckliche Jost schlimm haust.
- Der tolle Jost von Strünkede,
- Hat nie eine Schlacht verloren,
- Der Säbel, der ihm blinkte,
- Der hing ihm bis auf die Sporen. -
- Der nimmt, was er kriegen kann
- Mit seinen dreisten Knappen,
- Kein Mensch kann die Landstraße gehen,
- Den sie nicht sogleich schnappen.
- Er traut sich sogar bis an die Stadt
- Mit Morden, Brennen, Rauben,
- Sie massakrieren alles, was
- Nicht war von seinem Glauben.
- Den Bauern zertreten sie das Korn,
- Er hält sie alle in Schrecken,
- Und niemand kann ihm widerstehen,
- Wacker kann sein Säbel sprechen.
- Ein Menschenleben gilt ihm nicht,
- So viel, wie uns die Fliegen,
- Und Gnade Gott dem armen Wicht,
- Den seine Hunde jagen.
- Die Recklinghauser Bürger waren
- All seines Treibens müde,
- sie rüsteten sich, den wilden Herrn
- Zu stören in seiner Freude.
- Ein ganzer Trupp kommt zusammen im Brauck,
- Den Ritter zu bekriegen,
- Aber der schreckliche Jost war ihnen zu schlau,
- Noch einmal sollte er siegen.
- Aus seiner Burg zog er heran
- Und schlug die Recklinghauser:
- Sie laufen, so schnell sie laufen können,
- Bis an die städtischen Häuser.
- Doch endlich schien ihnen das nicht recht,
- Sie drehen sich an der Pforte
- Wieder um, und stehen auch nicht schlecht,
- Und halten rein die Straße.
- Und alt und jung, was fechten kann,
- das kommt nun allesamt
- In Scharen an das Tor heran,
- Mit Schaufeln, Äxten, Beilen.
- Und Jost überkam Angst, als das geschah,
- Und ritt Richtung Strünkede zurück,
- Und seine Leute, die liefen da
- Das Bürgerherr im Rücken.
- Und ein mutiger Bürgersmann,
- Dessen Namen ich nicht kann nennen,
- Der geht ihnen mit der Axt voran,
- Jost soll ihn lernen kennen.
- Wo nun der Mastbaum steht, da wollte
- Jost seine Leute zur Wehr stellen,
- Aber unser Bürgersmann, der sollte
- Ihm hier den Kopf zerschellen.
- Denn mit der Axt schlägt er darein,
- als Jost sein Streitross wandte.
- Und spaltete den Kopf ihm bis auf die Zähne,
- Und- Frieden war im Lande.
- Den so gefallenen Burgherrn brachte
- Die Knappenschar nach Hause,
- Und setzte ihn gleich am anderen Tag
- in seine dunkele Klause.
- Aber in der Mitternachtsstunde,
- Da kommt zu aller Schrecken
- Der Ritter von der Geisterrunde
- Und spuckt in allen Ecken.
- Noch sagt eine alter Spruch:
- »O Herr, vor Teufelsscharen
- Und den tollen Jost von Strünkede
- Mögest gnädig uns bewahren !“ (D. S.)
Anmerkung
Original Mundart in Literaturnachweisen. »Klause“ bedeutet hier wohl die 1272 erbaute Kapelle am Zugang zu Schloss Strünkede, vor dessen Chor sich die Gruft der Stünkeder zu Füßen der Gemeinde befindet. Der »tolle,“ also rasende oder verwirrte Jost von Strünkede wurde am 29. Mai 1529 von (s)einem Schmied erschlagen, da er sich angeblich an seiner Frau vergriffen hatte. Das wasserumgebene Gebäude am Karl-Brandt-Weg 5 birgt heute das Emschertalmuseum (Öffnungszeiten: Dienstags – Sonntags 14-17 Uhr). Brauck ist heute ein Stadtteil von Gladbeck (Kreis Recklinghausen).
»Der Ritter ist längst irgendwo vermodert.« (Fritz Mielert, 1922)
Schloss Strünkede (WGS 84: 51.551379° 7.211097°)
Literaturnachweis
- Firmenich, Bd. 3, 168f.
Hier finden Sie: Schloss Strünkede (51.551379° Breite, 7.211097° Länge)
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Dieser Text wurde folgendem Buch von Dirk Sondermann entnommen:
Bottrop: Henselowsky Boschmann Verlag, 2006
ISBN 3-922750-66-4.
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