Der schlaue Müller

Aus Sagenhaftes Ruhrgebiet

Wechseln zu: Navigation, Suche
Mühlstein

Vor vielen Jahren wohnten in Grumme bei Bochum einige Windmüller dicht beieinander. Einer von ihnen spielte seinen Nachbarn oft schlimme Streiche.

Nachdem man ihn eines Tages zu Grabe getragen hatte, wollten sich die Nachbarn, die sich an den sehr starken Mann nicht herangetraut hatten, an seinem zwanzigjährigen Sohne Jakob rächen, zerstörten eines Abends seine Mühle und machten unter sich aus, dass ihn keiner in seiner Mühle mahlen lassen sollte, um ihn auf diese Weise in den Ruin zu treiben. Dem schlauen Jakob kam dieser Streich schlecht gelegen, doch ließ er sich seinen Ärger nicht merken. Der Vater hatte ihm einst gesagt: »Jakob, alles, was du zur Stadt bringst, trägt dir schönes Geld ein!«, und diese Worte wollte er jetzt wahr werden lassen. In der Nacht stieß er einen Mühlstein seiner zerstörten Mühle zu Staub, füllte damit einen Sack, machte sich auf den Weg nach Bochum, wo er sich in der Herberge »Zur fröhlichen Einkehr« an der Königstraße ausruhte, die von einer Witwe mit ihren beiden Töchtern geleitet wurde. Vor dem Schlafengehen übergab Jakob der Wirtin seinen Sack Sandstaub mit den Worten: »Meine liebe Frau Wirtin, dieser Sack hat für mich einen unschätzbaren Wert. Nehmt ihn in eure Obhut und achtet gut darauf; denn wenn er abhanden käme, könnte mich nichts für den Inhalt entschädigen!« »Lieber Mann«, antwortete die Wirtin, »Ihr könnt ganz ruhig schlafen. Euer Sack mag enthalten, was er will, und sollte es gemahlenes Gold und Silber sein. Auf mein Wort, kein Stäubchen geht davon verloren!« 

Als Jakob zu Bett gegangen war, regte sich bei der ältesten Tochter die Neugier. Sie öffnete das Säcklein vorsichtig, und der gemahlene Sandstein erschien ihr beim Lampenschein wie eitel Silber. Schnell benachrichtigte sie ihre Mutter von dem geheimnisvollen Fund; diese sprach zu ihren Töchtern: »Was sollen wir tun?« Die ältere antwortete: »Wir werden das Säckchen leeren und es dem Manne mit Kupfermünzen füllen, er wird's nicht merken, denn er scheint einer von den guten Dummen zu sein!« Die jüngere Tochter hatte Mitleid mit dem Manne und wollte von dem Tausch nichts wissen; aber die Mutter nahm den Sack an sich und tat, wie die ältere Tochter geraten hatte.

Als Jakob am anderen Morgen Zehrgeld bezahlt hatte, ließ er sich seinen Sack wieder aushändigen. Obwohl er sofort merkte, dass der Inhalt nicht mehr derselbe war, dachte er bei sich: Reden ist Silber, doch Schweigen ist Gold. Erst draußen am Grummer Hohlwege machte er halt, band den Sack auf und fand ihn voll Kupfergeld. Freudig zog er der Heimat zu, ging zu den Nachbarn und sagte: »Ihr habt mir in der vergangenen Nacht einen bösen Streich gespielt; ich wollte es eigentlich dem Gericht anzeigen, doch seht einmal her, dieses ganze Säcklein Geld habe ich für einen einzigen Stein meiner Mühle erhalten!« Die erstaunten Nachbarn fragten neugierig, wie er es denn angefangen hätte, soviel Geld damit zu verdienen, und Jakob antwortete: »Mein seliger Vater sagte immer: ,Alles, was du zur Stadt bringst, trägt dir schönes Geld ein‘, und ich habe es jetzt selbst erfahren, dass er recht damit hatte. « Eiligst rissen nun auch die anderen Müller ihre Mühlen ab, luden die Steine auf Wagen und eilten in die Stadt bis zum Alten Markt, wo sie vom Morgen bis zum Abend warteten; aber vergebens, es kam niemand, der ihnen die alten Steine abkaufen wollte. Enttäuscht und voll Zorn traten sie den Heimweg wieder an und erkannten mit verhaltener Wut, dass sie diesmal die Dummen gewesen waren.

Anmerkungen

Die Königstraße wird heute Annastraße und Griesenbruchstraße genannt, die, beieinander liegend, ungefähr 15 Fußminuten westlich vom Stadtkern entfernt sind. Dort waren wohl billigere Herbergen als in Bochum zu finden.

Dr. Carl Arnold Kortum berichtet nur von einer schon um 1790 ganz zerstörten Windmühle, die vormals »eine Viertelstunde vor der Stadt, am Wege nach (Herne-) Eickel stand«. Ferner lagen neben der 1938 abgerissenen Bulksmühle einige Wasser(!)-mühlen an der Grume, die nun die so genannte Grummer Seenplatte (unterhalb der Ricarda-Huch-Straße /Ecke Bergstraße) speist.

Der Ort wurde als »Grumhem« (Grumme) wurde schon im 12. Jahrhundert im Abgabenverzeichnis der Benediktinerbtei (Essen-) Werden erwähnt. Der Name weist auf die Lage im Wiesental (Grummet = Grünmaht, erstes Heu) hin.

ehem. Königsstraße (WGS 84: 51.479746° 7.208147°)

Literaturnachweis

  • Dege, 102f. (nach Wehrhan, 130-132 nach Cron in Sammlung Kohlmann); vgl. Kortum, 1790, 116)


Hier finden Sie: ehem. Königsstraße (51.479746° Breite, 7.208147° Länge)

Diesen Ort mit weiteren Geodiensten anzeigen. Weitere Sagen aus Bochum.


Dieser Text wurde folgendem Buch von Dirk Sondermann entnommen:

Emschersagen. Von der Mündung bis zur Quelle.
Bottrop: Henselowsky Boschmann Verlag, 2006
ISBN 3-922750-66-4.




Der Text ist urheberrechtlich geschützt. Nähere Informationen: siehe Impressum.

Ruhr2010Logo
Redaktion