Der heilige Ludger gründet die Abtei Werden

Aus Sagenhaftes Ruhrgebiet

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Abtei Werden
»Die Quadratmeile Land, welche das Werdensche Gebiet umfasst, ist einer der schönsten Striche des herrlichen Roer-Thales, und gewährt ihren Bewohnern einen eben so angenehmen als segensreichen Aufenthalt.« Justus Grumer, 1805
»Merkwürdig ist die von vier Säulen getragene Krypta (der Abteikirche), die den steinernen Sarg des heiligen Ludgerus enthält...« Schücking-Freiligrath

Als der heilige Ludgerus im Lande umherzog, das Christentum zu predigen, ist er mit seinen Begleitern auch in die Gegend gekommen, wo jetzt Werden liegt. Dort hat es ihm so gut gefallen, dass er, der sich schon lange mit der Absicht trug, ein Kloster zu gründen, kurz entschlossen ausrief: »Hier soll es werden!« und daher meinen die Leute, habe man das Kloster und den später um dieses sich bildenden Ort »Werden« genannt. Andere wieder erzählen zur Erklärung des Namens, der jedoch von Wert (Werder = Flußinsel, D.S.) abgeleitet ist: Bei Besichtigung des Platzes sagte der Heilige: »Hier wird noch einmal eine große Stadt erstehen.« Seinen Begleitern schien solches unmöglich, da die Bäume so dicht standen und ihre Äste sich derart ineinander schlangen, dass nicht einmal der Himmel zu sehen war. Ludgerus aber entgegnete: »Was nicht ist, kann noch werden!« (Bahlmann)

Das alte Werden gilt als eine der schönsten Siedlungen längs der Ruhr, und sein altehrwürdiges Gotteshaus gemahnt an den Gründer dieser Stadt, den heiligen Ludgerus. Er war ein Verkünder des Christentums, und seine Wanderfahrten führten ihn weit in die Welt. Er predigte den Friesen und bekehrte das Sachsenvolk, pilgerte nach Rom und wirkte lange und segensreich in Münster. Immer schon hegte er die Absicht, ein Kloster zu errichten, nur wusste er nicht, welchen Ort er dazu wählen sollte. So betete er ohne Unterlass um die Erkenntnis, die ihm endlich kam. Sein Geist führte ihn in den Weneswald im Ruhrgebiet zu einem kleinen Ort, der Werethina (= Werden, D.S.) hieß.

Das historische Territorium

Im Frühjahr des Jahres 801 kam Ludgerus dort zum ersten Male an. Er ging gleich daran, eine Baustelle zu bestimmen, und führte seine Gefährten in das Dickicht des Waldes hinein, das er durch Kauf erworben hatte. Hier bot sich ihnen ein trostloses Bild. Die riesengroßen dichten Baumkronen verwehrten völlig das Sonnenlicht, und wuchernde Schlingpflanzen und verwachsenes Gestrüpp versperrten allerwärts den Weg. Da wollten seine Begleiter kleinmütig werden und verzagen. Ludgerus tadelte sie und sprach: »Was Menschen auch unmöglich erscheint, ist bei Gott doch möglich.« 

Inmitten der Wildnis ließ er sogleich sein Zelt aufschlagen und verbrachte mit ihnen hier die Nacht. Die war klar und sternenhell. In ihrer Stille, während alle anderen fest und ruhig schliefen, verließ Ludgerus heimlich seine Lagerstatt und schlich hinaus. Dreimal kniete er unter der Krone eines starken Baumes nieder und erflehte von Gott ein Zeichen. Nach dem dritten Gebete ward es ihm wirklich auch gewährt. Am heiteren Himmel begannen plötzlich schwarze Wolken aufzusteigen, und ein orkanmäßiger Sturm brauste daher. Von ihm getroffen, sanken die starken Bäume rings unter lautem Krachen nieder. Nur einer blieb verschont. Es war derselbe, unter dem der fromme Mann das Gebet verrichtet hatte.

Nun war er seiner Sendung völlig sicher. Gott selbst hatte den Grund zum Klosterbau gelegt und den Raum dafür gelichtet. Auch das nötige Bauholz lag bereit. Die Begleiter sahen es mit Beschämung und bereuten ihren Unmut und ihre Zweifel. Ludgerus verzieh ihnen. Er trat unter den verschonten Baum und rief den Othelgrim aus ihrer Reihe zu sich. Er sprach zu ihm: »An diesem Orte will ich einst den Tag des Weltgerichtes erwarten, und hier, wo ich jetzt sitze, soll meine Grabesstätte sein.« Der Mönch schrieb sich den Wunsch seines Meisters tief ins Herz hinein. Als der Baum gefällt werden musste, legte er an dessen Stelle heimlich einen schweren Stein. So war der Ort für immer gezeichnet, und der Wunsch des Bischofs wurde erfüllt. Er fand später hier sein Grab, über dem sich nun die Kirche wölbt. (Vos/ Weinand)

Anmerkungen

Im Jahre 803 beendete Kaiser Karl der Große siegreich den etwa dreißigjährigen Krieg gegen die germanische Volksgruppe der Sachsen. Schon zu Beginn dieser Kämpfe hatte er ihren militärischen Hauptstützpunkt im Revier, die Sigiburg im Dortmunder Süden erobert (siehe Sage 93). Die auch im Ruhrgebiet siedelnden Sachsen hatten ähnliche religiöse Vorstellungen wie viele andere germanische Volksgruppen, die neben anderen den Gott Wodan verehrten. Im Auftrage Karls des Großen gründete Liudger, der später heilig gesprochen wurde, um 800 die Benediktinerabtei Werden als Bollwerk des Christentums und Zentrale der Sachsenmission. Die Abtei Werden entwickelte sich zu einer der bedeutendsten Klosteranlagen im Reich und zu einem Ausgangspunkt der ersten Blütezeit des Reviers als Grenzgebiet zwischen Franken und Sachsen am Hellweg. Viele Königsaufenthalte in Dortmund und Duisburg zeugen von dieser für das Ruhrgebiet wichtigen Epoche. Das Symbol der Sachsen, das steigende Pferd, überdauerte im Wappen Westfalens bis heute jene bewegten Zeiten. Im berühmten Scriptorium Werdens entstand im 9. Jahrhundert wohl der »Heliand«, eine altsächsische Evangelienharmonie. Die bedeutende Klosterbibliothek barg bis zum Dreißigjährigen Krieg (1618–48) den Codex argenteus, die Silberbibel, eine gotische Bibelübersetzung Bischof Wulfilas aus dem 6. Jahrhundert, die 1648 die Schweden erbeuteten und seitdem in Uppsala/Schweden aufbewahrt wird. Die ehemalige Klosterkirche, die jetzige meist zugängliche Basilika St. Ludgerus liegt neben der Brückstr. 54 und ist einschließlich der Krypta mit dem Grab Ludgers und der Schatzkammer (Öffnungszeit: 10–12/15–17 Uhr) unbedingt sehenswert.

Abtei Werden (WGS 84: 51° 23' 17" 7° 0' 17")

Literaturnachweis

  • Vos, Weinand, 55f. (Als Quelle dieser Sage darf die Vita secunda des hl. Ludgerus gelten, abgedruckt in Pingsmann, Der hl. Ludgerus, Freiburg 1879, 104–106; vgl. Behrends, Leben des hl. Ludgerus, 1843, 37ff.; vgl. Hülsing, Der hl. Ludgerus, 1878); vgl. Bahlmann, 1922, 149f. (dort weitere Literaturangaben); vgl. Montanus, 43; vgl. Kuhn, Bd.1, 96; Schulze, 1987, 60–71


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Diese Sage folgt der Themenroute 22 – Mythos Ruhrgebiet der Route der Industriekultur des Regionalverbandes Ruhr.
Der RVR bietet zum Thema »Abtei Werden« folgende Informationen.


Hier finden Sie: Abtei Werden (51.388056° Breite, 7.004722° Länge)

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Dieser Text wurde folgendem Buch von Dirk Sondermann entnommen:

Ruhrsagen. Von Ruhrort bis Ruhrkopf.
Bottrop: Henselowsky Boschmann Verlag, 2005
ISBN 3-922750-60-5.





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