Der geizige Hamminkelner Bauer und die Paters

Aus Sagenhaftes Ruhrgebiet

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Paul Gauguin - Der Schinken

In Hamminkeln wohnte ein Bauer namens Kerkmann, der tat sehr fromm, war aber bekannt wegen seiner Knickerigkeit. Die sollte sich einmal gründlich selber bestrafen. Besonders hasste der brave Kerkmann die terminierenden Klosterbrüder, die regelmäßig über Land zogen, milde Gaben zu sammeln für sich und die Notleidenden, die sie an ihrer Pforte speisten. Darum hatte er seiner Frau, als wieder ein Termin, der sogenannte Fresstermin, nahte, die Weisung gegeben, nicht den üblichen halben Schweinskopf zu spenden, sondern, da er in Wesel etwas zu besorgen hatte, einen von ihm hinterlassenen Zettel abzugeben. Darauf habe er geschrieben, was die Brüder von ihm bekämen.

Auf dem Zettel aber standen die Worte, die der kluge Bauer einmal aufgeschnappt hatte: »Nescio vos!« (Ich kenne euch nicht!) Die Frau hatte allerdings verwundert gefragt, was das heißen solle, aber sie bekam nur zur Antwort: »Du hast das nur vorzuweisen, alles andere bekümmert dich nicht.« – »Ja, dann ist alles gut«, sagte die Frau, und Kerkmann schritt zur Tür hinaus.

Es dauerte auch gar nicht lange, da kamen die Paters mit einem großen Korb ins Haus. Die Frau nötigte die Kuttenträger, sich zu rasten und unterhielt sich mit ihnen über dies und das, dass der Flachs recht gut stehe, dass die Hühner nicht recht legen wollen wollten, dass der Bauer bald heuen wollte, und so kam man allmählich auch auf den Zweck des Besuchs, den Fresstermin, zu sprechen. »Ja«, sagte die Frau, »mein Mann hat mir einen Zettel gegeben, da stände alles drauf.« Und damit gab sie den Zettel ab. Der Pater las den Zettel. Dann sagte er: »Ja, ich hab’ es ja immer gewusst, dass der gute Kerkmann nicht umsonst seinen frommen Namen trage und dass er den Paters und den Armen ordentlich was zukommen lassen wolle. Solch ein Mann kann man als Muster in der Wohltätigkeit hinstellen.« – Die Frau solle, wie auf dem Zettel stehe, einen Schinken und eine Seite Speck mitgeben.

Die Frau erschrak. »Marjoh! ’nen Schinken und ’ne Seit’ Speck, das wär ja bald ein halb Schwein und wir haben dies Jahr so wenig geschlacht’.« – »Ja«, meint der Pater, »da lässt sich wohl nichts dran machen; euer Mann hat es einmal so geschrieben und man soll niemand hindern, Gutes zu tun.« Der Frau blieb nichts anderes übrig, als den Schinken und die Seite Speck mitzugeben.

»Gott lohn’s euch, gute Frau, und bestellt auch eurem guten Mann herzlichen Dank für seine reiche Gabe.« Damit verließen die Paters den Hof.

Kaum hatten die Mönche die Tür hinter sich zugemacht, da kam auch der Bauer Kerkmann von Wesel vom Roggenmarkt zurück. Seine erste Frage war, wie alles abgelaufen sei. »Du bist doch en unbeschuften Kerl«, zeterte die Frau, »bist du denn rammdösig, dass du auf den Zettel schreibst, ich solle einen ganzen Schinken und eine Seite Speck abgeben? Und mir dann noch weismachen, dass du den Paters schon heimleuchten würdest. Nun haben wir ja selber fast nichts mehr, wo wir so wenig geschlachtet haben. Aber, so seid ihr Männer, unsereins - -« 

Weiter kam sie nicht, denn dem Manne schwante Fürchterliches. – »’n Schinken un en Seite Speck?«, stottert er stoßweise. – »Jau, hast du denn nicht selber so auf den Zettel geschrieben, wovon es mir der Pater, der das Kauderwelsch verstand, vorlas?«

»Söcke gottlosen Räkels!« entfuhr es dem frommen Kerkmann, und er lief den Paters nach. »He!«, schrie er schon von weitem, »he, Herren Paters, ein error, ein error!« (Irrtum) Da drehten sich die Paters um, hielten Kerkmanns Zettel in die Höhe und riefen: »Nescio vos!« 

Literaturnachweis

  • Karl Heck, Heinrich Peitsch, Es geht eine alte Sage, Sagen, Legenden und Erzählungen vom unteren Niederrhein, Wesel 1967, S. 44f. (mündlich)




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Diese Sage ist in den bisher erschienen Werken von Dirk Sondermann nicht enthalten. Von ihm erschienen die Bücher Ruhrsagen, Emschersagen, Bochumer Sagenbuch, Wattenscheider Sagenbuch und Hattinger Sagenbuch. Weitere Publikationen sind in Vorbereitung. Bitte beachten Sie auch unsere Veranstaltungshinweise.


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