Der festgesetzte Fuhrmann

Aus Sagenhaftes Ruhrgebiet

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Wo die Landstraße aus dem Ruhrtal nach dem Krummenweg jetzt in Schlangenlinien den Mintarder Berg hinaufsteigt, liegt im Gebiete der Gemeinde Laupendahl die Wirtschaft »Am Esel«. In früherer Zeit, als der alte Weg noch steil bergauf führte, mußte der Bauer dort stets einen gesattelten Esel bereithalten, falls die Freifrau von Nesselrode auf Schloß Hugenpoet oder eine ihrer Töchter Lust verspürte, den Wald aufzusuchen. Um 1760 wurde auf Karl Theodors Befehl durch Anlage der neuen Landstraße ein bequemerer Weg geschaffen. Vorher aber hatten die Fuhrleute, die mit beladenen Kohlenkarren von Kettwig nach Ratingen wollten, ihre liebe Not. Sie mußten immer »Am Esel« haltmachen, bis ein zweites Fuhrwerk zur Stelle war, um Vorspann zu leisten. Auf der Höhe wurde dann ausgespannt und das andere Gefährt nachgeholt. Zum Schluß wurde in der Schenke »Am Anker« eins getrunken, und nun ging es mit frischen Kräften weiter. Eines Tages saß »Am Esel« eine Anzahl junger Burschen, die sich mit Kegelschieben vergnügten. Einer von ihnen rühmte sich der Schwarzen Kunst und machte sich anheischig, den nächsten Fuhrmann so festzusetzen, daß seine Pferde keinen Schritt mehr vorwärts könnten. Gesagt, getan! Als der Fuhrmann die Pferde vorgespannt hatte und den Berg hinauf wollte, blieben die Tiere wie angewurzelt stehen. Er merkte aber an den lachenden Gesichtern der Burschen, die vor die Tür getreten waren, was los war, und verlangte, sie sollten die Tiere freigeben. Dabei ging er um den Wagen und sprach: »Laßt mich los im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes!« Aber wie er auch mit der Peitsche knallte, die Pferde standen immer noch. Als er nun nochmals um das Fuhrwerk schritt und sich Pferde und Wagen genau besah, da bemerkte er, daß eins der Hinterräder dreizehn Speichen hatte, während sonst ein ordentliches Rad immer nur zwölf Speichen zählt. Da drohte der Fuhrmann: »Wenn die Karre nicht im Augenblick los wird, dann gibt es ein Unglück!« Aber der Bursche, der den Bannspruch getan hatte, hielt sich im Hintergrund und tat, als ginge es ihn nichts an. Da nahm der Fuhrmann eine Hacke vom Wagen und schlug an dem Hinterrad die überzählige Speiche durch. Sofort zogen die Pferde an, und der Wagen konnte seinen Weg fortsetzen. In demselben Augenblick aber stürzte der prahlerische Bursche im Hausflur zusammen und hatte ein Bein gebrochen.

Anmerkungen

Die historische Gaststätte »Am Esel« steht bis heute an der August-Thyssen-Str. 52 (Ecke Essener Str.) gegenüber der Einfahrt zum Wasserschloß Hugenpoet, das an der August-Thyssen-Str. 51 liegt. Die ursprünglich 200 Meter weiter westlich liegende Anlage wurde bereits 778 als Königsgut Karls des Großen schriftlich erwähnt. Das jetzige Schloß wurde ab 1647 erbaut und beherbergt ein Nobelrestaurant. Das Schloß ist von außen zu besichtigen. Der Schauspieler Paul Henkels (»Prof. Bömmel« aus der »Feuerzangenbowle«) verlebte hier seine letzten Lebensjahre. Übrigens war auch Heinz Rühmann, der im selben Film den Pfeifer »mit drei f« spielte, ein »Essener Junge.« Der Mintarder Berg liegt westlich der Mintarder Dorfstr. in Mülheim. Die Gaststätte >>Zum Anker<< lag in Ratingen, Ecke Eggerscheidter Straße / Schlipperhaus. Das historische Bruchsteingebäude wird heute zu Wohnzwecken genutzt.

Am Esel (WGS 84: 51.361983° 6.913367°)

Literaturnachweis

  • Gerhard & Kleeblatt, 271f. (mündlich); Spohr (Burgen ...), 60


Hier finden Sie: Am Esel (51.361983° Breite, 6.913367° Länge)

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Dieser Text wurde folgendem Buch von Dirk Sondermann entnommen:

Ruhrsagen. Von Ruhrort bis Ruhrkopf.
Bottrop: Henselowsky Boschmann Verlag, 2005
ISBN 3-922750-60-5.





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