Der alte Jasper sieht die Köln-Mindener Bahn voraus
Aus Sagenhaftes Ruhrgebiet
Vor hundertfünfzig Jahren lebte in Deininghausen bei Mengede, das heute ein Ortsteil von Dortmund ist, der Kötter Wessel Dietrich Eilert (1764-1833, D. S.), genannt Jasper. Jasper besaß die unselige Gabe, künftige Dinge voraussehen zu können; er war ein Vorschauer oder Spökenkieker. Was er voraussah, traf mit unheimlicher Sicherheit ein. Eines Tages, um das Jahr 1830, als es in ganz Deutschland noch keine Eisenbahn gab, saß er mit den Verwalter des Freiherrn von Bodelschwingh (heute ein Teil von Dortmund) im Wirtshause und sprach über zukünftige Dinge, die er geschaut hatte. »Es wird nicht mehr lange dauern«, begann er, »da wird von Westen nach Osten eine großer Heerstraße gebaut werden. Sie wird durch unsere Gegend führen, mitten durch die weiten Waldungen des Freiherrn. Es ist aber eine andere Heerstraße, als wir sie kennen, anders als der Hellweg. Sie wird aus Eisen sein, und die Wagen, die darauf fahren, laufen ohne Pferde, mit fürchterlichem Gerassel. « Und er beschrieb und zeigte genau die Ackerbreiten und Holzungen, die diese »eiserne Heerstraße« einmal nehmen wurde. Auch dieses »Vorgesicht« traf ein: 1849 wurde in Köln-Mindener Bahn eröffnet, die erste Eisenbahn Westfalens, und sie verlief auf Dortmunder Boden genau so, wie der alter Jasper es beinahe zwanzig Jahre vorher prophezeit hatte.
Anmerkungen
Durch Deininghausen, das heute zu Castrop-Rauxel (Kreis Recklinghausen) gehört, führt die Trasse der ältesten Bahnverbindung Westfalens, die Köln-Mindener Bahn, die weiterhin östlich von Haus Bodelschwingh (Siehe die Anmerkung zur vorausgehenden Sage.) über die Bodelschwingherstr. führt.
Menschen mit dem Zweiten Gesicht, auch Spökenkieker (Geisterseher) genannt, hatten früher die in Westfalen stark verbreitete Gabe der außersinnlichen Wahrnehmung. Der Erlebende ist scheinbar im Besitz des normalen Wachbewusstseins, wenn er spontan die meist optische Halluzination erfährt, die sinnbildlich auf ein räumlich oder zeitlich entferntes Ereignis verweist. Sie erlebten die Sehergabe nicht aktiv, sondern waren passiv im Banne des Zweiten Gesichts, d. h. sie hatten nicht die Wahl ein zukünftiges Geschehen zu sehen oder nicht zu sehen, daher empfanden sie ihre unfreiwillige Gabe häufig als Fluch. Nicht selten zerbrachen die Geisterseher an ihrer unfreiwilligen Fähigkeit, die sie zum Unheilverkünder und damit zum gemiedenen Sonderling und Einzelgänger stempelte.
»Ein Kind darf keine zwei Tage ohne Taufe liegen, sonst wird es ein Spökenkieker«, hieß es im Raum Bochum (K. Schmidthaus).
Bahntrasse Bodelschwingherstr. (WGS 84: 51.550999° 7.377239°)
Literaturnachweis
- Dege, 1964, 101; in Am. verwendete u. weiterführende Lit. : Kollmann, 167-169; Palme, 76+Am. ; Gronemann, 228-231; BS, Nr. 86 nach Werner Bonin, Lexikon der Parapsychologie, Herrsching 1984, 550f.
Hier finden Sie: Bahntrasse Bodelschwingherstr. (51.550999° Breite, 7.377239° Länge)
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Dieser Text wurde folgendem Buch von Dirk Sondermann entnommen:
Bottrop: Henselowsky Boschmann Verlag, 2006
ISBN 3-922750-66-4.
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