Der Teufelstein
Aus Sagenhaftes Ruhrgebiet
Da liegt im Weselerwald zwischen Drevenack und Marienthal, dem Dorf, in dem das alte Kloster am grünen Isselufer lag, mitten in einer Wiese ein mächtiger Steinblock, von dem niemand weiß, wie er dahingekommen ist. Von einem Felsen kann er nicht hinabgerollt sein, weil es dort in der niederrheinischen Ebene keine Felsen gibt. Und wenn die Gelehrten heute sagen, dass er in Zeiten, als dies weite Land noch Meer war, mit einem Eisberg angespült sei, so haben aber doch die Urgroßväter der Bauern, die dort noch heute wohnen, nichts gewußt von so gelehrten Dingen, von nordischem Granit, woraus der Stein besteht, und auch von einer Zeit vor mehr als hunderttausend Jahren nichts. Als sei er aus der Luft herabgefallen, so lag er immer da, Jahrzehnt schon um Jahrzehnt, breit und dick und fast so hoch wie eine Weihnachtstanne, so dass die Knechte sich vor Sonnenschein und Regen hinter ihm verstecken konnten. Wie aus der Luft herabgefallen - doch wie kann das sein? Vom Himmel? Aus den Wolken? Von den Sternen? Es war noch nie, so dass sie's wüßten, solch ein Felsblock aus der Luft gekommen - und es konnte da nur eine einzige Lösung geben, da nur einer solche Kräfte haben konnte und auch den bösen Sinn, diesen Stein hoch durch die Luft zu werfen: Der Teufel selber kann es nur gewesen sein. Und so erzählten sie:
In jener Zeit, als auch diesem Lande das Evangelium von Christ gepredigt wurde, als in Marienthal fromme Männer das Kloster bauten und in Drevenack die Kirche immer höher stieg, dass der Turm schon weither vom Walde zu sehen war, da habe der Teufel seinen bösen Streich ausführen wollen. Den Nixen in der Issel war es fast gelungen, den Bau des Klosters zu verhindern. Sie trieben das Wasser des kleinen Flüsschens hoch über die neuen Fundamente; die Mönche aber ließen sich keine Mühe mehr verdrießen: Sie bauten neu, einige Meter höher, den Hügel aufwärts, da wo nun heute noch das Kirchlein steht und wo noch der Kreuzgang und die alten Zellen immer noch an jene längst vergangene Zeit erinnern. Das aber war dem Teufel denn nun doch zu viel. Hoch oben auf den Testerbergen jenseits der Lippe habe ihn die Satanswut erfasst, so dass er jenen Fels, den Teufelsstein, gegriffen habe, um ihn weit - (mit donnerstarkem Brausen sei er durch die Luft geflogen) - ja, nun weiß man nicht, um ihn gegen das Kloster oder die neue Drevenacker Kirche, die er beide von seinem hohen Sitze habe sehen können, zu schleudern. Und man weiß nicht, war seine Kraft zu schwach, so dass der Stein zwischen Marienthal und Drevenack am Weselerwald zu Boden fiel und also das Kloster nicht erreichte - oder zu ungestüm, so, dass er über Drevenacks Kirche weit in die großen Wälder flog, dahin, wo heute Wiese ist und wo er immer noch, wenn auch schon fast in die Tiefe eingesunken, liegt, und wo man immer noch an einer Seite die Löcher sieht, da seine Teufelskrallen sich in blinder Wut in die harte Masse eingegraben haben. Im Sommer, wenn die Wiesenblumen blühen und die Rispen und die Ähren wogen, ist er kaum mehr zu sehen. Einst wird er ganz verschwunden sein, wenn aber doch die Kirchen von Marienthal und Drevenack noch lange, lange stehen werden.
Anmerkungen
Der mächtige Turm der evangelischen Kirche in Hünxe-Drevenack Am Kirchplatz stammt aus dem 12. Jahrhundert. Drevenack gehörte zum Herzogtum Kleve. Von Ostern bis zum Erntedankfest ist die Kirche sonntags bis 17.00 Uhr geöffnet. Zu anderen Zeiten ist der Schlüssel vor Ort ausleihbar. Rechts vom Kircheneingang, am Seitenschiff aussen, liegen in einer Ecke zwei sogenannte Teufelssteine. Die 1345 im spätgotischen Stil errichtete und oft geöffnete Kirche des Kloster Marienthal liegt in Hamminkeln–Marienthal An der Klosterkirche 8. Nur 100 m südlich fließt die Issel. Das Kloster Marienthal wurde 1256 als Augustiner–Eremiten-Kloster geweiht. Im 14. Jahrhundert wurde das Kloster an seinen heutigen Standort, nicht allzu weit von seinem ursprünglichen Platz, verlegt. Die nahe Issel und die Gefahr von Überschwemmungen waren wohl der Grund dafür. 1806 wurde das Kloster aufgehoben. Die klösterliche Tradition ist von den Karmelitern 1986 wieder aufgenommen worden. Der 61 m hohe Testerberg liegt südlich der Lippe am Testerweg in Hünxe. Der imposante Teufelstein, heute ein Naturdenkmal, liegt in Schermbeck, linker Hand nahe des Bauernhofes Zum Teufelstein 8. Dort befindet sich auch eine Hinweistafel.
Orte:
- Drevenacker Kirche (WGS 84: 51° 39' 38.16" 6° 44' 52.25")
- Hamminkeln, Klosterkirche (WGS 84: 51° 43' 54" 73° 6' 44")
- Testerberg (WGS 84: 51° 37' 25" 94° 6' 44")
- Teufelsstein, Schermbeck (WGS 84: 51° 42' 41.79" 6° 45' 34")
Literaturnachweis
- Erich Bockemühl, Niederrheinisches Sagenbuch, Gelsenkirchen 1930, S.21f.
Hier finden Sie: Teufelsstein (51.711608° Breite, 6.759444° Länge)
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