Der St. Hubertusschlüssel
Aus Sagenhaftes Ruhrgebiet
Im Chor der lindenumsäumten alten Henrichenburger Pfarrkirche sah man bis vor etlichen Jahrzehnten das Bild des heiligen Hubertus, zu seinen Füßen abgebildet einen tollwütigen Hund, der in seiner Darstellung alle Zeichen dieser Krankheit naturgetreu zum Ausdruck brachte. Unter dem Bilde hing ein alter Schlüssel, der St. Hubertusschlüssel.
Auf ihn waren die Henrichenburger ehedem sehr stolz. Und das mit Recht! Denn der Schlüssel besaß eine besondere Kraft. Er wurde gebraucht gegen die gefürchtete Krankheit der Tollwut und scheint, will man der Überlieferung glauben, stets geholfen zu haben.
Bekanntlich war man früher leicht geneigt, jeden verdächtigen Hund gleich als toll zu betrachten. Dazu kam, daß damals fremde, streifende Hunde öfter auftraten als jetzt. Sie besonders liefen Gefahr, für toll angesehen zu werden. Dorf oder Bauerschaft wurde dann aufgeboten, um solche tolle Bestien unschädlich zu machen. Schlau wußten sich diese Gesellen jedoch manchmal ihren Verfolgern zu entziehen und blieben lange Zeit hindurch der Schrecken der ganzen Gegend. Es erzählt man sich noch heute von einem besonders gefährlichen tollen Tiere, das in den siebziger Jahren (des 19. Jh.) monatelang die hiesige Gegend beunruhigte, bis endlich im alten Emscherbruch das Schicksal es erreichte.
Es ist daher erklärlich, dass auch Menschen häufig, gebissen von Hunden, sich der Tollwut für verfallen ansahen. Diese eilten dann, sogar aus weiter Ferne, nach Henrichenburg. Dort wurde ihre Wunde mit dem glühenden Schlüssel des heiligen Hubertus ausgebrannt und alle Gefahr abgewandt. Daß der Schlüssel hierzu oft gebraucht wurde, sah man seinem unteren Ende, das vom Feuer hart mitgenommen war, an. Im übrigen maß der Schlüssel in seiner Länge etwa 15 Zentimeter. Das obere Ende war zu einem Kreuze im gotischer Form herausgearbeitet.
Über die Herkunft dieses Schlüssels breitete sich ein geheimnisvolle Dunkel aus. Man wußte nichts Bestimmtes darüber, nur dass man ihn an einem Weihnachtsmorgen im Schnee vor der Kirchentüre liegend gefunden hatte.
Lange bewahrte der Schlüssel seine heilende Kraft, bis eine missbräuchliche Anwendung ihn seiner Wirkung beraubte. In die Schafherde des ehemaligen Rittergutes Henrichenburg war nämlich ein toller Hund eingefallen und hatte viele Tiere gebissen. Um diese zu retten, wandte man den Schlüssel an. Von diesen Zeitpunkt ab verlor, wie es heißt, der Schlüssel seine altbewährte Kraft.
Die letzte Heilung, die vom Schlüssel ausgegangen ist, soll einem Ehepaar aus Herten zuteil geworden sein.
Anmerkungen
In der alten 1512 im spätgotischen Stil erbauten und meist geschlossenen St. Lambertuskirche in Henrichenburg (neben Alter Kirchplatz 12), die heute als Gemeindezentrum benutzt wird, hing noch zu Anfang unseres Jahrhunderts im Chor ein Bild, auf dem St. Hubertus als Jäger mit einem tollwütigen Hund zu seinen Füßen abgebildet war. Das Tier wies die Anzeichen seiner Krankheit auf: gesträubtes Fell, geifernde Lefzen, Angriffshaltung und einen wahnsinnigen Blick. Unter dem Bild hing ein alter Schlüssel, der von den Dorfbewohnern der »St. Hubertusschlüssel« genannt wurde. Er war etwa 15 cm lang und sein oberes Ende wie ein gotisches Kreuz (Baumkreuz) geformt. Kenntnisse über den Verbleib von Bild und Schlüssel sind heute in der Gemeinde nicht mehr vorhanden (Hinweis erbeten !). Herten ist eine Stadt im Kreis Recklinghausen.
St. Lambertus-Kirche (WGS 84: 51.598633° 7.313217°)
Literaturnachweis
- Adolf Dorider in: Alt-Recklinghausen, Recklinghausen 1922, 3 Jg. , S. 61-63; in Am. verwendete u. weiterführende Lit. : Kollmann, 179f.
Hier finden Sie: St. Lambertus-Kirche (51.598633° Breite, 7.313217° Länge)
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Dieser Text wurde folgendem Buch von Dirk Sondermann entnommen:
Bottrop: Henselowsky Boschmann Verlag, 2006
ISBN 3-922750-66-4.
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