Der Schwiegervater als Wiedergänger
Aus Sagenhaftes Ruhrgebiet
Karl Schmidthaus:
Eine Frau in unserem Alter erzählte mir neulich folgendes Erlebnis: Zwischen Traum und Wachsein sah sie sich in ihrem Garten mit ihrer jetzt 5-jährigen Tochter. Plötzlich kam ihr Schwiegervater, auf einen Spazierstock gestützt, zum Gartentor herein auf sie zu und begrüßte sie mit den Worten: »Guten Tag, Erika!« Sich umsehend, fügte er hinzu: »Schön habt Ihr es hier.« Dann ruhte der Blick des Toten auf ihrer Tochter und er stellte scheinbar befriedigt fest: »Das also ist die Ulrike.« Dann löste sich das Bild auf.
Dieses erlebte ich zwei Monate nach dem Tode meines Schwiegervaters, der im Juni dieses Jahres starb. Ich habe sein schweres Sterben voll miterlebt und brauchte hinterher auch längere Zeit, um mit meinen Nerven wieder vollkommen in Ordnung zu kommen. Darum nehme ich an, dass mir meine zu der Zeit noch reichlich überreizten Nerven dieses Bild vorspiegelten. Eine andere Erklärung finde ich für mein Erlebnis nicht.
Ich musste an dem betreffenden Tag sehr früh aufstehen, um rechtzeitig zu meinem Dienst zu kommen. Als ich aus dem Schlafzimmer kam und die Küchentür öffnete, hörte ich aus dem dahinter gelegenen Zimmer, in dem mein Schwiegervater immer schlief, ein Stöhnen, das sich wiederholte, genau so, wie es in den letzten Tagen seines Leben immer war. Gleichzeitig glaubte ich auch, unter der geschlossenen Tür einen Lichtschein zu sehen. Maßlos erstaunt öffnete ich die Tür, sah in einem Augenblick die Nachttischlampe brennen und den alten Herrn in seinem Bett liegen. Diese Erscheinung dauerte aber nur ganz kurze Zeit. Als ich die Tür völlig geöffnet hatte – wobei ich kurz wegsah – war das Bild verschwunden und das Zimmer war wieder dunkel.
Literaturnachweis
- Schmidthaus, Nr. 1654, wohl 1961, S. 33f
Weitere Sagen aus Bochum.
Dieser Text wurde folgendem Buch von Dirk Sondermann entnommen:
Verlag Pomp, 2004
ISBN 978-3893550678.
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