Der Hoymann

Aus Sagenhaftes Ruhrgebiet

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Weizenfeld

Bis in unsere scheinbar aufgeklärte Zeit hinein glauben sich viele Menschen von überirdischen Wesen oder von übersinnlichen Mächten umgeben. Unsere Vorfahren waren der Meinung, alle Elemente, Feuer, Wasser, Luft und Erde, seien von geheimnisvollen Geistwesen bevölkert. Man denke nur an die Nixen – Wesen halb Mensch, halb Tier –,die wohl in grundlosen Seen und Meeren wohnen, oder an den bekannten Berggeist Rübezahl. Auch tiefe Wälder beherbergen angeblich Feen, Zwerge und Kobolde.

In Langendreer haust ebenfalls solch ein Waldgeist – der Hoymann. Die Sage berichtet Folgendes:

Hässlich soll er sein, der Hoymann. Obwohl klein, ja zwergwüchsig, macht er sich bisweilen riesengroß, so dass er die Gipfel von alten Bäumen erreicht. So gestaltet erschreckt er oft Wanderer in den Wäldern. Voller Angst fliehen sie dann, laut schreiend, vor diesem Spuk. Manchmal verwandelt sich der Hoymann auch in ein Irrlicht. Wenn nun ein Wanderer in der Dämmerung diesem Licht folgt in der Annahme, auf eine menschliche Siedlung zu stoßen, so führt der Waldgeist diesen völlig in die Irre. Oftmals finden die so an der Nase herumgeführten erst nach Stunden hungrig und erschöpft zum richtigen Weg zurück. Dann lässt der Hoymann sein höhnisches Lachen erschallen: »Hoi, hoi, hoi!« – Sie sehen schon, von diesem Lachen hat der Geist auch seinen Namen: Hoymann. Kinder, die ins Kornfeld laufen und, Blumen pflückend, die Halme niedertrampeln, sind dem Hoymann ein besonderes Ärgernis. Durch sein scheußliches Aussehen erschreckt er sie derart, dass sie niemals wieder in ihrem Leben einen Fuß ins Kornfeld setzen. Auch Erwachsene, die im Kornfeld Spiele spielen, finden nicht seine Nachsicht. Er verwandelt sich in einen Wirbelwind, packt die Leute und wirft sie nieder. »Hoi, hoi, hoi!«, triumphiert er auch dann.

Eines Tages kam nun ein Durchreisender zu Fuß des Weges. Mit diesem wollte der Hoymann ebenfalls seinen Spaß treiben. Abermals verwandelte er sich in einen Wirbel und packte den Reisenden, der schließlich schreiend zu Boden fiel. Erneut triumphierte er: »Hoi, hoi, hol!« »Hoi, hoi, hoi«, höhnte der Gepeinigte zurück. Wutentbrannt verwandelte sich das Gespenst nun in einen Aufhockeralb und sprang dem Wanderer auf die Schultern. Gleich einem westfälischen Werwolf ließ er sich von dem Bemitleidenswerten herumschleppen, bis dieser völlig entkräftet wiederum zu Boden fiel, und wieder ließ der Hoymann sein lautes Lachen ertönen; diesmal wagte der Wanderer nicht zurückzuspotten. Nach einiger Zeit raffte er sich auf und setzte seinen Weg fort. In diese Gegend aber hat er niemals mehr in seinem Leben den Fuß gesetzt.

Hörte der Hoymann das Fluchen der Bauern über ihre Zugochsen von den Feldern hertönen oder schlugen sie ihre Arbeitstiere, so wurde der Geist ebenfalls höchst ungemütlich, dann drohte er den Bauern oder zauberte mancherlei Plagen auf sie herab. Gingen die Landwirte jedoch ordentlich mit ihrem Vieh um, schaute der Hoymann gutmütig vom Waldesrand aus dem arbeitsamen Treiben zu. Eine Viertelstunde weit, so sagt man, sei das markerschütternde Lachen des Hoymanns zu hören. An eine grobe Männerstimme oder an einen Eulenruf soll das Lachen erinnern.

Einen Namensvetter findet der Hoymann von Langendreer in den Bergwäldern der Oberpfalz, vielleicht stammt er ja sogar von dort – wer weiß? An anderen Orten Westfalens nennt man vergleichbare Geister zumeist Heitmännchen. Diese begegnen den Menschen oft als blaue Flämmchen. Hin und wieder erweisen sich diese Geister den Bauern gegenüber als sehr hilfsbereit, für ein Butterbrot packen sie dann tatkräftig bei der Ernte zu.

Aber wer mag nun der Hoymann von Langendreer sein? Vielleicht die bemitleidenswerte Seele eines Menschen, verflucht bis in alle Ewigkeit, als Gespenst zu spuken?

Womöglich war er sogar ein Grenzsteinverrücker, diese sollen oftmals zum Wiedergängertum verdammt worden sein. Oder ist der Hoymann nur ein ganz gewöhnlicher Hausgeist? – Wer weiß? Von den Schandtaten des Hoymanns erzählen die Langendreerer selbst nicht viel. Sicherlich haben sie ihm stets die letzte Garbe auf dem Feld als Opfer überlassen. Ab und zu wird er aber wohl doch seine Streiche ausgeheckt haben, hätte er sonst sein namengebendes Hoi-hoi-hoi ertönen lassen?

Liebe Leser/in, es geht das Gerücht um, dass der Hoymann auch heute noch in Langendreer seinen Spuk treibt, sehen Sie sich vor!

Ob sich der Straßenname Am Hoymann tatsächlich auf das Gespenst bezieht, ist nicht sicher. Prosaischere Gemüter meinen, der Name leite sich von hoier = der Hüter, besonders der im Feld die Pferde hütet, seltener der Kuhhirt, ab.

Auch der Reim vom Korndämon soll vor allem Kinder davor abschrecken ins Korn zu laufen und das für die Ernährung lebenswichtige Getreide zu zertrampeln.

Die Roggenmuhme

Gib acht mein Kind,

geh´ nicht ins Korn,

die Roggenmuhme zieht um da vorn,

bald duckt sie nieder,

bald guckt sie wieder,

sie will die Kinder fangen,

die nach den Blumen langen.

(Am 3. April 1992 von einer nicht genannt werden wollenden, ungefähr 70-jährigen Dame aus Bochum mitgeteilt.)

Der Begriff Muhme kam schon vor dem 9. Jahrhundert auf und bezeichnete vormals die Schwester der Mutter.

Der Kern dieser Überlieferung ist seit Urzeiten auf der ganzen Welt bei Ackerbau betreibenden Völkern bekannt.

Am Hoymann (WGS 84: 51.470667° 7.312083°)

Literaturnachweis

  • Tetzlaff, 53


Hier finden Sie: Am Hoymann (51.470667° Breite, 7.312083° Länge)

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Dieser Text wurde folgendem Buch von Dirk Sondermann entnommen:

Bochumer Sagenbuch.
Verlag Pomp, 2004
ISBN 978-3893550678.




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