Der Handel mit dem Teufel auf dem Kirchhof
Aus Sagenhaftes Ruhrgebiet
Von zwei Nachbarn in der Kurler Gegend wurde der eine durch Unglücksfälle immer ärmer. Der andere war durch Wucherzinsen, die er von armen Leuten verlangte, sehr reich geworden. Schließlich mußte der arme Nachbar in großer Not dem reichen das letzte Stück Landes verschreiben, um sich helfen zu können. Da kam der Wucherer aufs Sterbebett. Im Angesichte des nahen Todes schlug ihm das Gewissen. Er ließ den armen Nachbarn zu sich kommen und sagte ihm: »Alle Deine Schuldscheine und Verschreibungen sollen ins Feuer geworfen werden, wenn Du mir folgendes versprichst: In der ersten Nacht nach meinem Begräbnis mußt Du in der Mitternachtsstunde, also zwischen 12 und 1 Uhr, an meinem Grabe Wache halten.« Der Arme versprach es, und die Schuldscheine wurden verbrannt.
Der Wucherer starb und wurde begraben. Nun mußte der Arme sein Versprechen einlösen. Als der Abend des Begräbnistages kam, drückte ihn die übernommene Pflicht sehr. Er hatte eine unheimliche Angst davor, in der Mitternachtsstunde allein zwischen den Gräbern zu stehen. Um sich Mut anzutrinken, ging er in eine Wirtschaft. Dort saß er traurig in einer Ecke bei einem Glas Branntwein. Dem Wirt und den übrigen Wirtshausbesuchern fiel die Niedergeschlagenheit des stillen Gastes auf.
Da trat ein Soldat, der gerade auf Urlaub zu Hause war, auf ihn zu, begann mit ihm ein Gespräch und erfuhr bald, warum der Mann so trübsinnig dasaß. Der Soldat, ein mutiger Bursche, der auf manchen Kriegszügen schon viel Schreckliches erlebt hatte und keine Furcht kannte, erbot sich, an der mitternächtlichen Grabeswacht teilzunehmen. Der Arme war überglücklich und nahm das Angebot des beherzten Soldaten gerne an. In der letzten Stunde vor Mitternacht machten sich die beiden auf den Weg. Die Kirchenuhr schlug gerade Zwölf, als sie an dem Grabe des Wucherers anlangten. Der Soldat zog sofort auf dem Boden mit seinem Säbel einen Kreis, zeichnete darin ein Kreuz und gebot seinem Begleiter, in den Kreis zu treten und die Stelle unter keinen Umständen zu verlassen, was auch immer geschehen möge. Für sich selbst zog der Soldat einen zweiten Kreis mit einem Kreuz neben dem Grabe und trat hinein.
So standen sie einige Augenblicke, als ein ungeheuer großer schwarzer Hund mit glühenden Augen vor ihnen erschien und furchtbar brüllte. Dann fragte aus dem. Ungeheuer eine Stimme: »Was wollt ihr hier?« »Das geht Dich nichts an; wir haben Dich ja auch nicht gefragt, was Du hier zu schaffen hast«, gab der Soldat mutig zurück. Das fürchterliche Tier wütete entsetzlich. Augenscheinlich war das der Teufel. Aber wegen des Kreuzes konnte er den beiden nichts anhaben. Dann begann das Ungeheuer an dem frischen Grabe zu wühlen, legte sehr schnell den Sarg frei, brach den Sargdeckel auf, zog der Leiche des Wucherers die ganze Haut ab und warf sie nach der Kirchhofshecke zu. Sie fiel aber zu kurz. Der Soldat streckte den rechten Arm weit aus und konnte mit der Spitze seines Degens die Haut gerade noch erreichen. Mit einem Ruck riß er sie in seinen Kreis. In diesem Augenblick stieg der Teufel aus dem Grabe. Er begann ein fürchterliches Geheul, als er die Haut in dem Kreis liegen sah, und verlangte sie zurück. Der Soldat aber stach sie mit der Säbelspitze in seinem Kreis fest und sagte: »Umsonst bekommst Du die Haut nicht. Überlege Dir, was Du mir dafür geben willst. « Grausig schnaufend verschwand der Teufel und erschien sofort wieder mit einem großen Beutel voll Geld. Er warf dem Soldaten den Beutel zu und verlangte wiederum die Haut. Der Soldat aber forderte den gleichen Lohn für seinen Begleiter. Noch einmal holte der Teufel einen kleinen Sack voll Geld und warf ihn in den Kreis des armen Mannes.
Jetzt erhielt der Teufel die Haut, warf sie über die Hecke des Friedhofs, und fort war er. Nun verschwanden die beiden Grabwächter mit dem Geld eiligst vom Gottesacker, und der Teufel hatte das Nachsehen.
Anmerkungen
Die Grabstätte lag wohl auf dem Gelände der St. Johannes-Kirche (Siehe die Anmerkung zur Sage 134).
St. Johannes Kirche (WGS 84: 51.5568° 7.580533°)
Literaturnachweis
- Sauermann, 58 (nach Beisenherz, 393ff.)
Hier finden Sie: St. Johannes-Kirche (51.5568° Breite, 7.580533° Länge)
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Dieser Text wurde folgendem Buch von Dirk Sondermann entnommen:
Bottrop: Henselowsky Boschmann Verlag, 2006
ISBN 3-922750-66-4.
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