Der »Knüppelrüer«
Aus Sagenhaftes Ruhrgebiet
An der Sprockhöveler Straße, in der Senkung, die heute zwischen den neuen Siedlungshäusern und der Kalthoffschen Besitzung liegt (»bi Schnieders Gaden«), trieb früher der »Knüppelrüer« sein Unwesen, ein gespensterhafter großer Hund mit glühenden Augen, »der mit einem großen an seinem Hals befestigten Knüppel umherlief. Der Knüppel schliff über den Boden und rief ein scharrendes Geräusch hervor. Der Knüppelhund tat jedoch niemanden etwas, sofern man ihn in Ruhe ließ.« Für Kinder war es immer ein besonderes Wagnis, im Dunkeln an dieser Stelle vorüberzugehen.
Fritz Pütters hat in seinem Buch: »Großmutter erzählte noch Sagen aus Wattenscheid und Umgebung« vielleicht die »Ur-Sage« dieses Themas aufgespürt: Es sind schon viele Jahrhunderte her, da herrschte auf einer Burg im Ruhrtal ein gar gewalttätiger Herr. Keinen Menschen ließ er ungeschoren. Gar mancher »Pfeffersack«, wie er die Kaufleute nannte, schmachtete in dem Burgverlies, bis er gegen hohes Lösegeld freigelassen wurde. Besonders aber hatten die kleinen Bauern und Tagelöhner unter ihm zu leiden. Ihnen nahm er fort, was ihm gefiel. In mancher dunklen Nacht stürmte er ihre dürftigen Wohnungen, raubte ihnen die wenigen Taler, schleppte das Vieh fort und trieb Schabernack mit den Menschen.
Nun hatte ein Bauer einen besonders treuen Hund, der ihm auf Tritt und Schritt folgte, auf das Wort gehorchte und dem Bauern so lieb war, dass er sein bestes Stück Rindvieh ohne Bedenken für ihn hingegeben hätte, wäre dem Hunde einmal etwas passiert.
Der gewalttätige Ritter aber hatte von diesem Hunde gehört, und da er alles besitzen wollte, was anderen lieb und wert war wollte er auch den Hund haben. Als nun eines Tages der Bauer mit seinem Hunde durch die Wiesen des Ruhrtales ging, kam plötzlich der Ritter mit seinen Knechten über ihn. Den Bauern trieben sie abseits, schlugen auf ihn ein und verwundeten ihn schwer, den Hund aber fingen sie, und als er sich wehrte, um sich biss und einen der räuberischen Gesellen empfindlich verletzte, da banden sie ihm einen dicken Holzknüppel an den Hals, damit er ruhig und ihnen folgsam werde. Als aber der schwer verwundete Bauer sah, wie der Ritter und seine Knechte mit seinem Hund umgingen, da richtete er sich noch einmal auf und rief dem Ritter zu: »Verdammt sein sollst du und als Hund mit einem Knüppel am Hals ruhelos durch das Ruhrtal wandern!«
Kaum hatte er die Worte ausgesprochen, als sich plötzlich der Himmel verfinsterte. Polternder Donner verschluckte das höhnische Lachen des Ritters, und als der Himmel ebenso plötzlich wieder klar war, wie er sich verfinstert hatte, da war der Ritter verschwunden. Und so sehr seine Knechte auch nach ihm suchten, sie fanden ihren Herrn nicht. Als aber wenige Tage später der bei dem Überfall tödlich verletzte Bauer zur letzten Ruhe geleitet wurde, da hörte man zum ersten Male das unheimliche Bellen und Heulen eines riesigen Hundes, und abends sah man das Untier zum ersten Male über die Ruhrwiesen hasten. Und seitdem eilt der »Knüppelrüe« über die Weiden zu beiden Seiten der Ruhr. Wehe dem Menschen, der ihm begegnet und nicht sofort das Kreuz schlägt! Er wird niemals wieder gesehen. Wer das riesengroße Tier aber fangen will, der wird von ihm in die Ruhr geführt, in die der »Knüppelrüe« sich immer stürzt, wenn er sich verfolgt weiß. Und wie schon vor Jahrhunderten, so auch heute noch …
Anmerkungen
Zwischen Seilerweg und Auf Drehnhausen westlich der Sprockhöveler Str. spukte der Knüppelhund.
Spukgebiet des Knüppelhundes (WGS 84: 51.404038° 7.227974°)
Literaturnachweis
- Wefelscheid, S. 201; Lokalisierung: Petras, Nr. 57; Pütters, Fritz, Großmutter erzählte noch Sagen aus Wattenscheid und Umgebung; in: Beiträge zur Geschichte der Stadt Wattenscheid, Heft 4; Hrsg. Stadt Wattenscheid o.J. (1974), S. 27f.
Hier finden Sie: Spukgebiet des Knüppelhundes (51.404038° Breite, 7.227974° Länge)
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Dieser Text wurde folgendem Buch von Dirk Sondermann entnommen:
Essen: Verlag Pomp, 2007
ISBN 978-3893552542.
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