Das Stollengespenst bei Kupferdreh
Aus Sagenhaftes Ruhrgebiet
Im »Himmelsfürster Erbstollen« bei Kupferdreh spukt das »Stollengespenst«. Es ist ein ruheloser Geist, der zeit seines Lebens den Bergleuten an Lohn und Leben Unrecht tat und nun ohne Ende durch die Tiefen der Erde hinwandern muß, seine Schuld zu sühnen. Wenn er sich rührt und sich mühsam durch die Stollen hinschleppt, rasseln die Ketten an seinen Händen und Füßen, und durch die Grube geht ein Gestöhn, daß das Gestein erbebt und den Bergleuten das Blut in den Adern stockt. Im ganzen Umkreis erstirbt jeder menschliche Laut, und nur der beschleunigte Takt der Arbeit wird gehört. Erst wenn das Kettengeklirr in der Ferne verebbt und die klagende Stimme in der Finsternis untergeht, schauen die Knappen einander an und wischen den Schweiß von der Stirne. So oft das Gespenst ihnen auch erschienen ist, niemand kann es nachher beschreiben, denn es zeigt seine Gestalt nur, wenn es gerufen wird, und dann ist es so grausig anzusehen, daß sein bloßer Anblick Irrsinn und Tod bewirkt. Ein tollkühner Knappe hat sein Leben auf diese Weise lassen müssen. Als er um die Mitternacht bei der Arbeit war und das unheimliche Lärmen hörte, das sich näher und immer näher heranwälzte, und als er die Furcht und das Schweigen seiner Kameraden gewahrte, die sich zu keinem Wort getrauten, faßten ihn Übermut und Prahlsucht an, sich beherzt zu zeigen, und er rief mit Lachen in das Dunkel hinein: »So komm doch näher, Troll, und zeige dich!«
Im gleichen Augenblick ertönte ein Grollen aus dem Felsen her, das sich zum furchtbarsten Donner auswuchs und von bläulichen Flammen begleitet war, die hoch aufzüngelten. Mitten in ihrem Schein stand das »Stollengespenst«, das der Knappe nur mit einem einzigen Blick wahrnahm. Dann verwirrte sich sein Geist. Drei Tage lang lag er in schwerem Fieber und in tiefer geistiger Nacht und redete in Grauen von dem, was er gesehen hatte, aber nicht in Worte auszudrücken wußte. Dann starb er, ohne das Bewußtsein wiedererlangt zu haben. Seitdem ist das »Stollengespenst« nicht wieder von einem Bergmann gerufen worden.
Anmerkungen
Zeche Himmelsfürster Erbstollen lag im Deipenbecktal 2–4. Dort befindet sich noch ein zum Wohnhaus umgestaltetes ehemaliges Zechengebäude.
Zeche Himmelsfürster Erbstollen (WGS 84: 51.407333° 7.082883°)
Literaturnachweis
- Vos, Weinand, 35 (nach Heinrich Kämpchen, Neue Lieder, Gedichte Bd. 2, Bochum 1904, 4)
Hier finden Sie: Zeche Himmelsfürster Erbstollen (51.407333° Breite, 7.082883° Länge)
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Dieser Text wurde folgendem Buch von Dirk Sondermann entnommen:
Bottrop: Henselowsky Boschmann Verlag, 2005
ISBN 3-922750-60-5.
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