Das Mädchen vom Gernehof

Aus Sagenhaftes Ruhrgebiet

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Schiele - Die Schwangere und der Tod

Einst lag in der Diller Mark in der Nähe der Gernequelle, ein stattliches Gehöft. Das Land am Gernebach in der Haard war fruchtbar. Der Bauer und seine Familie hatten ein gutes Auskommen. Trotzdem war er geizig und hartherzig. Frau und Sohn mussten darunter leiden, Dem Jungen ging es wie einem Knecht, der immer auf die strafende Hand seines Vaters Herrn schaut. Sie hatten eine junge Magd aufgenommen, die hässliche Jule. Diese musste hart arbeiten und wurde ausgenutzt. Aber der Waisen half niemand. Die beiden jungen Leute taten sich zusammen, und bald erwartete die Magd ein Kind. Als man erkennen konnte, dass sie in guter Hoffnung war, trieb der Bauer sie mit der Peitsche vom Hof.

Es war Herbst, und auf den Bauernhöfen in der Umgebung wollte man sie für den Winter nicht in Kost nehmen. Endlich nahmen gute Menschen sie in ihrer Hütte auf. Dort gebar Jule ihr Kind. Sie merkte bald die Armut der beiden Alten, die das Wenige mit ihr teilten. Kurz vor dem Weihnachtsfest machte sie sich mit ihrem Kind auf den Weg, um Arbeit zu suchen. Doch in der schneebedeckten Heide verlor sie Weg und Steg. Am Weihnachtsmorgen fanden Haardgänger die tote Magd mit ihrem Kind.

Auf dem Gernehof ging es nun bergab. Weder Knecht noch Magd wollten dort arbeiten. In einer Sturmnacht im November meinte der junge Bauer, das Julekind wimmern zu hören. Er stieg aus dem Fenster und lief dem Rufen und Wimmern nach. Er kam nicht wieder. Ein Jahr später erging es den Vater ebenso. Seine Frau hörte noch das Brechen der Zweige im nahen Wald. Sie sah ihn nicht wieder.

Als die alte Frau starb, war niemand im Hause, der ihr helfen konnte. Keiner bemerkte ihren Tod. Der Sturm deckte das Dach ab, die Balken stürzten hinab und begruben die Bäuerin. Irgendwann stürzten die Mauern ein. Heute sieht man nichts mehr vom ehemaligen Gernehof.

Anmerkungen

Das Gebiet um den Gernebach war in der Vorzeit sicherlich besiedelt, denn Wasser und fruchtbarer Boden waren vorhanden. Man weiß noch von einer Potthütte, in der Töpferwaren hergestellt wurden. Da aber der dort vorhandene Ton nicht für gute Keramik ausreichte, konnte man nur einfaches Geschirr herstellen. Es war weniger qualitätsvoll als Waren, die andere vestische Töpfereien anboten. Später musste die Potthütte wegen mangelnder Nachfrage ihre Produktion einstellen.

Der Platz mit den verfallenen Gebäuden galt ehemals als unheilig. Im Dunkeln ging niemand dort vorbei. Das nutzten Diebe von kirchlichen Geräten. Sie bestellten Hehler aus Olfen an den alten Pottofen, um ihr Diebesgut an den Mann zu bringen. Aus Habgier und Angst vor Verrat erschlugen sie diese, fanden aber kein Geld bei ihnen. Manche Leute glaubten, dass in den Nächten die Toten auf diesem Platz erschienen.(Kollmann)

Die Diller Mark liegt in Oer-Erkenschwick-Rapen An der Dillenburg. Die Gernequelle befindet sich nördlich der Straße Am Gerneberg an der Grenze zu Oer–Erkenschwick noch auf Dattelner Gebiet. Etwas nördlich der Gernequelle lag der Gernehof. Die Gernequelle ist die einzige ständig fließende natürliche Quelle der Haard. Der Quellbereich wurde vormals Hexenloch genannt.

Gernequelle (WGS 84: 51.697034° 7.287326°)

Literaturnachweis

  • Adelheid Kollmann, Sagen aus dem alten Vest und dem Kreis Recklinghausenn, Recklinghausen 1994, S. 81f. (nach: Franz Große Perdekamp, VK 1923, S. 77)


Hier finden Sie: Gernequelle (51.697034° Breite, 7.287326° Länge)

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Diese Sage ist in den bisher erschienen Werken von Dirk Sondermann nicht enthalten. Von ihm erschienen die Bücher Ruhrsagen, Emschersagen, Bochumer Sagenbuch, Wattenscheider Sagenbuch und Hattinger Sagenbuch. Weitere Publikationen sind in Vorbereitung. Bitte beachten Sie auch unsere Veranstaltungshinweise.


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