Auf dem Lusebrink

Aus Sagenhaftes Ruhrgebiet

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Landschaft im Nebel

Alte Flurnamen weisen auf Spukglauben hin:

Südlich vom Hof Schulte-Hordel lag »Fahnenkamps-Wiese«. Hier hat man eine ziemlich willkürliche Umwandlung des Namens vor sich. Ursprünglich hat es wohl »Vanen-Wiese auf dem Kamp«, Spuk- oder Geisterwiese geheißen. Eine andere Deutung weist in Bezug auf Fahne auf eine Vane-Opferstätte. Die Günnigfelder Sage hierzu ist insofern von Interesse, als sie einen Einblick in die Entstehung von Sagen, deren Inhalt recht gruselig ist, überhaupt gibt; denn sie knüpft an einen Ort, der heute noch als Lusebrink bekannt ist sowie dem Lusebrinkweg, der zum Fahnenkamp führte.

Die Sage berichtet:

»Südlich des Schulte-Hordelhofes, nach Günnigfeld zu, wehten wie Fahnen der Geisterwelt Nebelfetzen vom Hordeler Mühlenbach herauf, Nebel braut in den Hainen und lagert sich über den Weiden. Die Felder sind kahl und öde, auf denen sich der Nebel legt wie eine milchige Schicht, überstrahlt vom Silber des Mondes.

Es geht auf Mitternacht zu. Schemenhaft tauchen aus den wallenden Schwaden Gestalten auf, mit Tierhörnern und flügelbesetzten Helmen auf dem Haupt. Klangvoll ertönt ein gewaltiges Lied des Kriegsgesanges. Sie schlagen ihre Schwerter und Schilder klirrend gegeneinander und lassen mit wilden Tönen ein dumpf dröhnendes Getöse erschallen. Dazu halten sie die Schilde dicht vor dem Mund, um die Stimme dumpfer und voller anschwellen zu lassen, welches alle Feinde grausen lässt. Selbst die kampfgewohnten Römer konnten es so schnell nicht überwinden. Als sich die Nachmitternachtsstunde ankündigte, entschwindet dieser Spuk langsam und mit abebbendem Gesang im dichter werdenden Brodem. Nach Entdeckung und Ausgrabung des Urnenfeldes in den Jahren 1926/27 und 1931/32 ist dieser Spuk nie wieder aufgetreten. Spökenkieker behaupten aber, dass sie in heutiger Zeit ab und zu den Gesang und das Waffenklirren zu später Abendstunde noch vernehmen.« 

Anmerkungen

Finden wir nicht in »Fahnenkamps-Wiese« eine in Jahrhunderten willkürlich stattgefundene Umwandlung vor, die wirklich der neuzeitlichen Sage von den mitternächtlich erscheinenden Gestalten mit ihrem Gesang und Waffenklirren vorstand ? Neben dem Göttergeschlecht der »Asen« stand das Göttergeschlecht der »Wanen«. Denn Wanen (Fahnen, Vanen) finden in der germanischen Mythologie ihren Hinweis auf Gullweg, der Goldigen, in der man eine Wanin, die Freya, vermutet aus dem Göttergeschlecht der »Wanen«. In »Fahnenkamps-Wiese« könnte man vermuten, indem man auf dem Pfade der Sagen und Überlieferungen weiter wandelt, dass auf »Wanen-Kampf-Wiese« der Wanenkrieg zwischen den beiden Göttergeschlechtern ausgetragen wurde. Der mit dem Sieg der Wanen und der gleichzeitigen Anerkennung der Wanen auf ihrem Platz neben den Asen erfolgte (Rupietta). Pütters leitet »Fahnenkamp» prosaischer auch von »warekamp» in der Bedeutung von Gemeinbesitz ab

Pütters: »Zwischen der Hüllerstraße und dem hohen Bahndamm lag nach Westen zu der Lusebrink. Er wurde in den zwanziger und dreißiger Jahren abgetragen und zu Ziegelsteinen verarbeitet. Beim Abziegeln fand man 1930/31 einen vorfränkischen Urnenfriedhof, auf der Kuppe des Brinks, mit Feuerstätten. Grabbeilagen fand man nicht. Die Grabungen leitete damals der Gelsenkirchener Heimatforscher Grasreiner. Er wusste auch, dass bei Aufschüttung des Bahndamms in unmittelbarer Nähe des Schulte-Hordel-Hofes ein großer germanischer Opferstein mit eingeschlagener Blutrinne zugeschüttet worden ist. Offensichtlich besteht ein Zusammenhang zwischen diesen vorfränkischen Denkmälern und der obigen Sage. »

Der Hof Schulte-Hordel, angeblich der Rest eines alten Rittersitzes, wurde um 900 als Oberhof Hurlaon im Abgabenverzeichnis des Stiftes Essen (siehe Sage 21)) erstmals urkundlich erwähnt. Bis der Hof Mitte der 60er Jahre des 20. Jahrhunderts abgerissen wurde, überquerte die Hofstr. die Osterfeldstr. und lief ungefähr 200m in nördlicher Richtung weiter, direkt auf den nach Süden geöffneten Hofraum zu. Auf halber Strecke lag vormals rechter Hand –am sogenannten Fahnenkamp- das Urnenfeld. Heute gehört das Gelände zur Deponie der Thyssen Umformtechnik Guss GmbH.

Der Kern des Lusebrinks lag ungefähr zwischen der jetzigen Friedhofstr. , Osterfeldstr. und Ostpreussenstr. Der Hordeler Mühlenbach, heute Hüller Bach genannt, floss längs der Hordeler Mühle, die im Bereich Günnigfelderstr. 170 stand.

Die frühen heidnischen Begräbnisstätten, die Hellen, die Stätten der Hela (Todesgöttin), wo die Urnen der Vorfahren im Boden ruhten, erschienen den christlichen Nachkommen nun als Teufelskuhlen oder »Luse (Läuse) brinke»(Ludorff).

Zu den oben erwähnten »Teufelskuhlen« ist zu erwähnen, dass »Teufel« vom germanischen Gottesnamen Tyr abgeleitet wurde. Die Christen setzten Tyr dem griechischen Begriff Satan-os, Widersacher Gottes, gleich. Tyr (Teufel) und der griechisch-antike Gottesname Zeus, das lateinische Wort für Gott: Deus, griechisch: Theos, gehen auf das indo-germanische Wort devah = leuchtender Gott, zurück. Tyr war ursprünglich ein Gott des Krieges und der Volksversammlung, dem sogenannten »Thing«. Thin (-g) begegnet uns in Dien- (stag). Die Wochennamen wurden seit der Antike mit den Namen der Planeten benannt; diese wiederum waren identisch mit den Namen der ihnen zugeordneten Götter; demnach feiern wir jeden Dienstag den Namenstag des heidnisch-germanischen Gottes Tyr, der mit dem Planeten bzw. römischen Gott Mars gleichgesetzt wurde. Weiterhin wurden am Donnerstag Donar (Jupiter) und am Freitag Freyja (Venus) verehrt.

Lusebrink (WGS 84: 51.502133° 7.1444°)

Literaturnachweis

  • WS, Nr. 8 (nach Pütters, Großmutter erzählte, 4); vgl. Ruppietta,, 45-50; vgl. Pütters, Flurnamen, 2; vgl. Bröker, 1996, 50; vgl. Ludorff, Gelsenkirchen-Stadt, 5; vgl. BS, Nr. 30; Zur heidnischen Naturreligion der Gegenwart siehe zum Beispiel: www.odinic-rite.de


Hier finden Sie: Lusebrink (51.502133° Breite, 7.1444° Länge)

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Dieser Text wurde folgendem Buch von Dirk Sondermann entnommen:

Emschersagen. Von der Mündung bis zur Quelle.
Bottrop: Henselowsky Boschmann Verlag, 2006
ISBN 3-922750-66-4.




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