Als Friedrich der Große in Wesel inspizierte (Die Weseler Zuchthausballade)

Aus Sagenhaftes Ruhrgebiet

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Es wurden einige Aufzeichnungen vorgefunden, die Henry de CATT, der Vorleser Friedrichs des Großen, hinterlassen hat. Dass de CATT mehrere Jahre als Präzeptor in Wesel lebte, ist ja bekannt. Eine dieser Erinnerungen waren bisher unbekannt, andere nur in Form kurzer Anekdoten überliefert. Unter anderem erzählte der Gelehrte, wie der König auch einmal die Festung Wesel visitierte und inspizierte. Nach seiner Gewohnheit wollte er alles und jedes selber sehen und prüfen. Festung und Zuchthaus waren damals für alle Gesetzesverächter ein Begriff, denn auf den Festungen wurden die Strafen für alle schweren Verbrechen verbüßt; Stockschläge, dünne Suppen und schwere Fesseln bildeten die Haupterziehungsmittel. Es war eine Schar erlesener Spitzbuben, die der Herr Obrist von SCHACK Sr. Königlichen Majestät präsentierte.

»Was hast du ausgefressen, Kerl?« fragte der König den ersten.
»Nichts, Majestät, ich bin unschuldig!«
»So, so! Und du da?«
»Ich weiß es nicht! Es war ein falsches Gerichtsurteil!«
»Bedauerlich! Ja, diese Rechtsverdreher! Und du dort?«
»Ich bin ein ehrlicher Mensch, Majestät! Durch einen Meineid meines Nachbarn kam ich hier rein!«
»Schlimm, schlimm, mit diese bösen Nachbarn«, stimmte der König zu und schritt weiter. Alle waren unschuldig wie die Lämmlein.

Beim letzten verhielt Sr. Majestät nur noch flüchtig.

»Nun, Kerl, und du? Auch unschuldig, nicht war?«
»Nein, Herr König, ich bin nicht unschuldig! Ich bin ein großer Schweinehund und sitze ganz zu Recht hier!«

Der König blickte den Kerl einen Augenblick starr an.

»Ja, was tust du verdammter Schweinehund denn unter diesen vielen ehrlichen und anständigen Menschen? SCHACK, lasse Er mir den Kerl sofort vor die Tür werfen, damit er mir die guten Menschen nicht auch noch verdirbt!«

Als wir zum Schiff hinunterschritten, blickte mich Se. Majestät von der Seite an.

»Er macht da so ein particuliertes Gesicht, de CATT. Was hat Er wieder an mir auszusetzen?«
»Halten zu Gnaden, aber was Ew. Majestät vorhin mit diesem Subjekt zu machen geruhten, gefällt mir nicht!«
»Parbleu! Und warum nicht?«
»Das war doch ein Schelm und Galgenvogel!«
»Ohne Zweifel, mon cher. Aber der Zweck des Zuchthauses ist, den Menschen zu bessern. Und mit der Einsicht und der Reue hat die Besserung immerhin begonnen, nicht war?«
»Ich bezweifle das in diesem Fall, Majestät! Das war ein ganz frottierter Bursche, der schnell seine Chance wahrnahm!«
»Beruhige Er sich, de CATT! Sollte Er mit Seiner Vermutung recht haben, so schadet das auch nichts. So ein feiner Kopf ist zu schade, um im Zuchthaus zu verkommen. Ich wollt`, er wär mein Minister!«
»Ein Straßenräuber, Majestät?«
»Eh bien, fällt der Schlingel in seine alten Sprünge zurück, wird er ohnehin gehängt«, sagte der König gleichmütig. »Räuber? Straßenräuber? Der gemeine Mann raubt Dukaten und der große Potentat ganze Provinzen und Länder! Ist der Unterschied wirklich so groß ....?«

Literaturnachweis

  • Karl Heck, Heinrich Peitsch, Es geht eine alte Sage, Sagen, Legenden und Erzählungen vom unteren Niederrhein, Wesel 1967, S. 128f.


Multimedia

Gelesen von Gisela Schnelle-Parker, Aufnahme und Bearbeitung von Robin Parker.



Anmerkungen

Präzeptor war vormals die Bezeichnung für einen Lehrer. ``Particuliertes Gesicht´´ bedeutet erstaunt Blicken. ``Parbleu´´ (frz.) Ausruf des Erstaunens: ``Bei Gott!´´. Ein Potentat ist ein Herrscher (König).




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Diese Sage ist in den bisher erschienen Werken von Dirk Sondermann nicht enthalten. Von ihm erschienen die Bücher Ruhrsagen, Emschersagen, Bochumer Sagenbuch, Wattenscheider Sagenbuch und Hattinger Sagenbuch. Weitere Publikationen sind in Vorbereitung. Bitte beachten Sie auch unsere Veranstaltungshinweise.


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